Die Journals PLOS ONE und Transplantation haben kürzlich insgesamt 15 Studien von chinesischen Autoren zurückgezogen. Es besteht der Verdacht, dass diese für ihre Transplantationsstudien Organe von hingerichteten Häftlingen verwendeten.
Die zwischen 2008 und 2014 veröffentlichten Studien befassten sich mit Nieren- und Lebertransplantationen. Auch die Journals Kidney International und Clinical Journal of American Society of Nephrology haben Bedenken angemeldet. Die Verdachtsfälle basieren auf einer Studie der Ethikerin Wendy Rogers, die im Februar erschien. Diese untersuchte 445 Transplantationsstudien auf unethische Organentnahmen. In 412 dieser Fälle waren die Autoren nicht in der Lage, anzugeben, ob die Organe von hingerichteten Häftlingen stammen oder nicht. Ganze 439 Studien konnten keine Angaben dazu machen, ob die Spender der Entnahme zugestimmt hatten.
Ein offizielles Spenderprogramm gibt es in China erst seit 2010. Trotzdem gab es ab der Jahrtausendwende einen großen Anstieg an Spenderorganen. Dass dafür Organe von Hingerichteten entnommen wurden, ist längst bekannt. Seit dem 1. Januar 2015 gilt die Praxis jedoch als offiziell beendet.
Trotz dieser Erklärung von eigener Seite hatte die chinesische Regierung zuvor bestritten, dass Organe hingerichteter Häftlinge ohne deren Einverständnis verkauft oder gespendet werden. Viele Studien zu Organspenden deklarierten die Herkunft ihrer Organe entsprechend als zweifelsfrei, doch erwies sich dies in der Vergangenheit schon als Fehler. 2017 zog beispielsweise das Journal Liver International eine Studie aus den Jahren 2010 bis 2014 zurück. Auch hier war Wendy Rogers aufgefallen, dass die über 560 Lebertransplantationen der Studie nur schwer von ausschließlich freiwilligen Spendern in bloß einem Krankenhaus stammen können.
Auch nach offizieller Beendigung der Praxis gibt es Vorwürfe: Das sogenannte China-Tribunal beschuldigt die Regierung, dass politische Häftlinge sogar gezielt für Organentnahmen getötet werden. Experten sprechen von einer Diskrepanz von 10.000 von der Regierung gemeldeten und 60.000 bis 100.000 von den Krankenhäusern gemeldeten Entnahmen.
Ein Artikel von Carolin Siebert
Quellen: © PLOS ONE / Transplantation / RetractionwatchSymbolbild: © Desertrose7 / pixabay