Bis Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen optimal behandelt werden, kann es lange dauern. Die Beschwerden sind unspezifisch und die Diagnose ist schwierig. Worauf Hausärzte achten sollten.
„Das Problem ist, dass Hausärzte oft nur wenig Erfahrung mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen haben. Die sind schließlich nicht so weit verbreitet und die Beschwerden unspezifisch. Da denkt man erstmal an etwas Naheliegenderes wie einen Magen-Darm-Infekt oder Hämorrhoiden“, sagt Dr. Rüdiger Berndt, Gastroenterologe aus Berlin. „Und eindeutige Diagnosekriterien für Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa gibt es nicht.“
3D-Modell des menschlichen Colons Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) zeichnen sich durch schubweise rezidivierende oder kontinuierlich auftretende, entzündliche Veränderungen des Darms aus. Die häufigsten Vertreter sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) spricht von 400.000 Betroffenen in Deutschland.
Wie den Leitlinien zu entnehmen ist, muss die Diagnose durch das klinische Erscheinungsbild, den Verlauf sowie eine Kombination aus endoskopischen, histologischen, radiologischen und laborchemischen Methoden gestellt werden. Das klinische Bild ist bei den beiden Hauptvertretern von CED aber nicht gerade eindeutig.
Der Morbus Crohn beginnt meistens beim jungen Erwachsenen mit unspezifischen Symptomen. Dazu gehören Müdigkeit, Gewichtsverlust und (meist unblutige) Durchfälle. Schmerzen im rechten Unterbauch werden durch das terminale Ileum verursacht, der bei vielen Patienten mit Morbus Crohn entzündet ist. Bei der Colitis ulcerosa sind als Leitsymptom blutig-schleimige Durchfälle zu nennen. Sie treten ernährungsunabhängig und auch nachts auf und werden häufig als sehr quälend empfunden. Die Durchfälle gehen außerdem mit Tenesmen einher.
Eine umfassende Differentialdiagnose ist bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen unumgänglich. „Bei der Stuhluntersuchung schaut man, ob Erreger die Ursache der Beschwerden sind. So kann die Infektion mit dem Cytomegalovirus Symptome verursachen, die wie eine Colitis ulcerosa aussehen“, so Dr. Berndt. Auch an bakterielle Infektionen, Appendizitis oder Divertikulitis muss man denken.
Die wichtigsten Unterschiede in Lokalisation, Ausbreitung und Klinik der beiden Erkrankungen:
„Wichtig ist vor allem, dass Hausärzte ihre Patienten ernst nehmen. Schließlich sind sie die erste Anlaufstelle für Patienten. Und dort kann es zu vermeidbaren Verzögerungen in der Therapie kommen“, sagt Dr. Berndt. Auf einen Termin zur Darm- oder Magenspiegelung müsse ein Patient sowieso schon mitunter einige Monate warten. „Blut im Stuhl darf der Hausarzt nicht bloß auf Hämorrhoiden zurückführen, gerade bei jungen Patienten. Wenn dann noch andere Beschwerden hinzukommen, kann das auf eine CED hindeuten. Um das zu überprüfen, kann der Hausarzt zum Beispiel einfach den Calprotectin-Wert bestimmen lassen.“
Die Calprotectin-Konzentration im Stuhl korreliert mit der Anzahl der Granulozyten im Darmlumen. Sie ist daher ein Marker für eine Entzündung der Darmschleimhaut, sowohl durch Infektionen (Enteritis, Colitis) als auch durch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Der Referenzbereich für gesunde Erwachsene liegt bei bis zu 50 µg/g Stuhl.
„An so einem Laborwert kann man sich ja einfach orientieren. Ist der Wert erhöht, lässt man eine Darmspiegelung durchführen. Bei Morbus Crohn kann zusätzlich eine Magenspiegelung angezeigt sein. Der Pathologe kann dann anhand von Biopsien sehen, ob es sich um Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn handelt. Doch auch das ist nicht immer eindeutig.“
So unterscheiden sich die beiden Erkrankungen bei Endoskopie und Histologie:
Bei 10 Prozent der Betroffenen ist eine sichere Differenzierung zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa allerdings nicht möglich („indeterminierte Colitis") oder die anfängliche Diagnose muss später revidiert werden („Konversionsfälle“).
Ziel der Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist in erster Linie die Linderung der Symptome und die Verringerung der Anzahl akuter Schübe. „Hier helfen im Bedarfsfall Mesalazin oder Kortisonpräparate wie Prednison“, sagt Dr. Berndt. Helfen diese Medikamente nicht, kann man auch über den Einsatz von Biologika nachdenken, wie TNF-alpha-Blocker. „Biologika setzt man meist erst in der Drittlinie ein, wenn andere Therapien wie Mesalazin, kurzzeitig gegebene Steroide oder Immunsuppressiva wie Azathioprin und Methotexat, versagen. Wenn auch die Biologika versagen, kann eine OP notwendig werden. Bei C. ulcerosa entfernt man zum Beispiel Teile des Dickdarms oder den ganzen Dickdarm.“
Durch eine Kolektomie ist eine dauerhafte Heilung der Colitis ulcerosa möglich. Bei Versagen der konservativen Therapie sollte daher eine Operation in Erwägung gezogen werden. In schweren Fällen von Morbus Crohn wird ein chirurgischer Eingriff nötig, um schwere Komplikationen wie Stenosen, Fisteln, Abszesse oder Perforationen zu vermeiden oder zu behandeln.
Von Betroffenen kommt immer wieder die Frage nach einer speziellen Ernährung, die die Beschwerden bei CED lindern könnten. „Aber besondere Ernährungsformen, die bei der Erkrankung helfen, gibt es nicht“, schränkt der Gastroenterologe ein. „Natürlich soll man den Patienten empfehlen, sich gesund zu ernähren. Doch das sollte man wohl jedem empfehlen.“ Eine andere Lebensstilempfehlung kann der Arzt seinen Patienten aber sehr wohl ans Herz legen: „Crohn-Patienten sollte man nahelegen, mit dem Rauchen aufzuhören, denn das kann die Symptome massiv verschlimmern“, sagt Dr. Berndt. „Bei Colitis ulcerosa ist es umgekehrt. Bei einem Patienten, der mit dem Rauchen aufhört, können sich die Beschwerden sogar verschlimmern. Sowas wissen leider auch einige Patienten – und hören deswegen nicht mit dem Rauchen auf.“
Um Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bestens behandeln zu können, muss der Hausarzt wissen, womit er es zu tun hat. „Der Hausarzt muss für diese Krankheiten sensibilisiert sein und darf die Beschwerden, die ein Patient hat, nicht einfach abtun“, meint Dr. Berndt. „Im Zweifelsfall schickt er seinen Patienten besser zum Gastroenterologen. Damit darf er nicht zu lange warten.“
Zu den Leitlinien geht's hier: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.Bildquelle: João Jesus, pexels