Es ist immer die gleiche Frage: Warum möchtest du Arzt werden? Darauf folgen meist die gleichen abgespulten Standardsätze. Hier kommen fünf ehrliche Gründe, warum ich Ärztin werden möchte.
Die Frage „Warum möchtest du Arzt werden?“ scheint in Auswahlgesprächen fürs Medizinstudium beliebt zu sein. Besonders bei den Fragestellern. Aber nur selten bei den Gefragten. Der Medizinprofessor Adam S. Cifu gehörte zu Letzteren. In seinem Artikel „Why do you want to be a Physician?“ erklärt er, wie sich seine Einstellung zu dieser Frage verändert hat.
Als er die Frage bei seinen eigenen Auswahlgesprächen selbst gestellt bekam, empfand er sie als „aufdringlich“. Auch als er auf der anderen Seite stand und diese Frage selbst Bewerbern stellte, fand er sie anfangs nicht besonders gewinnbringend. Er bekam von den Studenten immer und immer wieder die gleiche Antwort:
„Ich war immer gut in Naturwissenschaften. Ich möchte Menschen helfen. Mit der Medizin kann ich meine Fähigkeiten mit meiner Leidenschaft kombinieren.“
Im Laufe der Zeit änderte sich seine Meinung zu der Frage, nachdem eine jüngere Kollegin ihm genau diese stellte. Bisher hatte auch er sich immer für die „sichere Antwort“ entschieden. Anders als sonst erzählte er aber diesmal nicht von Naturwissenschaften und vom Menschen helfen, sondern von einem Nachmittag mit seiner Großmutter. Sie war Krankenschwester, veröffentlichte eine Kolumne mit Ratschlägen über Ihre Arbeit in der Zeitung und schwärmte – viel mehr als sein Vater und Großvater, die selbst Ärzte waren – von der Medizin.
Als sie ihn damals zu einem Arzttermin ins Krankenhaus begleitete, stellte sie während der Wartezeit verschiedenste Thesen über die vorbeikommenden Patienten auf: Sie machte ihn auf Pathologien aufmerksam, spekulierte über möglichen Diagnosen und Therapien, erklärte ihm Begriffe wie Parkinson und Kachexie – für den damals Elfjährigen war es wie Magie, erzählte Cifu. Er sah, dass seine Antwort die Kollegin berührte.
Adam Cifu versucht seither, die Antworten hinter dieser Antwort zu sehen, konzentriert sich auf das, was noch gesagt wird. Oft sprechen Bewerber Erfahrungen an, die sie selbst als Patient gemacht haben. Womöglich sind diese Dinge viel wichtiger als andere genannte Gründe, warum sie eigentlich Ärzte werden wollen. Und so bleibt die Frage „Why do you want to be a Physician?“ vielleicht das notwendige Übel, um hinter all den Standardantworten doch ein paar unerwartete Einsichten zu bekommen.
Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, drängte sich für mich gedanklich natürlich die Frage auf: Wieso möchte ich eigentlich Ärztin werden?
Zugegebenermaßen war das auch die erste Antwort, die mir in den Sinn kam, als ich mir selbst diese Frage stellte. Erst bei längerem Nachdenken fallen mir mehr und mehr Gründe ein, warum ich damals wie heute Ärztin werden möchte. Und dass die obige Standardaussage zwar nicht ganz wahr ist, doch durchaus ein Körnchen Wahrheit enthält. Hier kommen meine 5 persönlichen Gründe:
Die besten Noten in der Schule hatte ich in Deutsch, Englisch und Religion. Im Gegensatz zu den meisten Medizinstudenten war ich also nicht „immer gut in Naturwissenschaften“. Im Gegenteil. Physik war und ist überhaupt nicht meine Stärke, in Chemie habe ich für gute Noten viel Zeit investieren müssen und lediglich Biologie hat mir Spaß gemacht und mich begeistert.
Am Ende habe ich mich aber trotzdem für ein ziemlich naturwissenschaftslastiges Studium entschieden. Dafür musste ich vielleicht mehr tun als andere, trotzdem bin ich mir sicher, dass mich das am Ende nicht zu einer schlechteren Ärztin macht. Wieso? Weil ich kommunikativ bin, wortgewandt und im persönlichen Umgang mit anderen Menschen nicht schüchtern. Weil ich auf Menschen zugehen kann, aber in den richtigen Situationen auch zuhören kann.
War es zu Schulzeiten eher der Lebensretter-Gedanke, der mir gut gefiel, so ist es heute ein ganz anderer. Natürlich ist es schön, seinen Teil dazu beitragen zu können, dass Menschen länger leben und mehr Zeit mit ihren Lieben haben. Heute ist es dieser Punkt, der mir an meiner Berufswahl gefällt: Ich kann mit meiner Arbeit Leben verändern und bereichern, ohne dafür heldenhaft im OP stehen zu müssen.
Bereits als Praktikantin habe ich bemerkt, wie dankbar Patienten für ein Lächeln, ein kurzes Gespräch, ein nettes Wort und ein wenig Zeit sind. Und auch wenn gerade die Zeit als Ärztin stets knapp sein wird, kann ich doch mein Bestes geben, da zu sein und Ängste zu nehmen. Und das gilt nicht nur für die Klinik. Gerade im niedergelassenen Bereich kann man eine starke Beziehung zu seinen Patienten aufbauen und mit einem Gespräch manchmal mehr bewirken als mit hunderten Medikamenten. So möchte ich arbeiten.
Als ich damals überlegt habe, wofür ich mich eigentlich wirklich interessiere, war die Liste nicht besonders lang: Alles was mit dem menschlichen Körper zu tun hat und kreatives Schreiben. Damals war es eine Entweder-oder-Entscheidung, für die ich aber kaum Bedenkzeit gebraucht habe. Nichts hat mein Interesse und meine Leidenschaft so sehr geweckt, wie die Medizin. Heute weiß ich, dass auch ein Medizinstudium und der Arztberuf noch Raum lässt für andere Hobbys und Leidenschaften.
Auch wenn das ein banaler Grund zu sein scheint, so ist es für mich doch ein wichtiger: Ich war und bin schon immer gerne in Krankenhäusern gewesen. Als ich selbst Patientin war, habe ich das natürlich nicht so gesehen, aber generell habe ich mich schon immer gerne in Kliniken aufgehalten und war von der Arbeit der Ärzte fasziniert.
Natürlich ist das kein maßgebliches Kriterium für ein Medizinstudium. Nichtsdestotrotz wird die Arbeit als Ärztin sehr anstrengend und kräftezehrend, so dass vielleicht genau diese kleinen Dinge den Ausschlag geben, durchzuhalten. Meine erste Famulatur war nicht unbedingt schön – trotzdem hatte ich immer wieder ein gutes Gefühl, wenn ich die Klinik betreten und mir die Arbeitskleidung übergezogen habe.
Ich arbeite täglich mit Menschen zusammen, Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des Jobs – der Arztberuf vereint somit alles, was ich mir für meine Zukunft wünsche. Das ist vielleicht der wichtigste Grund von allen. Man hat in der Medizin nie ausgelernt, denn sie entwickelt sich immer weiter, sodass man nie „stecken bleibt“, sondern sich auch selbst immer weiter entwickeln muss.
Kein Tag ist wie der andere, und doch hat man irgendwann eine gewisse Routine, die mir wichtig ist. Man tut etwas mit Bedeutung, und weiß am Abend, was man geleistet hat. Es gibt viele Möglichkeiten und Fachbereiche. Jeder Fachbereich birgt seine eigenen Herausforderungen, benötigt andere Fähigkeiten und Talente, sodass am Ende jeder etwas finden kann, in dem er richtig aufgeht.
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