Bei einer Patientin mit hypertropher Kardiomyopathie fanden Hamburger Forscher eine bisher unbekannte Genmutation. Für die Frau konnte jetzt eine passgenaue Medikation bestimmt werden.
Forscher der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) haben die molekularen Ursachen der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) aufgespürt. Dr. Marc D. Lemoine, Klinik für Kardiologie mit Schwerpunkt Elektrophysiologie, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum, und Dr. Maksymilian Prondzynski, Institut für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, legen damit eine wichtige Arbeit zu einer der häufigsten erblichen Herzerkrankungen vor.
In Deutschland leiden über 160.000 Menschen an HCM. Hauptmerkmal ist eine verdickte Wand der linken Herzkammer. Im Laufe der Erkrankung kann die HCM zu Luftnot und Herzrhythmusstörungen führen, schlimmstenfalls sogar zum plötzlichen Herztod. Lemoine und Prondzynski haben mit ihrer Arbeit gezeigt, wie eine individualisierte Therapie bei genetischen Herzerkrankungen ermittelt werden kann.
3D-Schnittmodell des menschlichen Herzens
Es begann mit einem Zufall. „In unserer Spezialambulanz für HCM fanden wir beim Genscreening einer Patientin eine bislang unbekannte Genmutation“, erklärt Lemoine. Insgesamt seien auf 27 verschiedenen Genen 1.500 Gendefekte registriert, die HCM auslösen können. So war das Gen ACTN2 den Medizinern bekannt. Es enthält Informationen zur Herstellung eines Proteins, das für die Zellstruktur verantwortlich ist. Den Defekt jedoch kannten sie nicht.
Diesen wollten Lemoine und Prondzynski genauer betrachten. Sie entnahmen der besagten Patientin Hautzellen und programmierten diese in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) um. Dann schufen die Forscher daraus Herzzellen. Diese trugen alle den Gendefekt, denn der vererbt sich von Zelle zu Zelle weiter.
Um die Funktion dieses Gendefekts besser charakterisieren zu können, stellten die Wissenschaftler aus Millionen dieser Herzzellen ein künstliches Herzgewebe her. „Es kontrahiert wie ein richtiges Herz und zieht sich auf elektrische Reize hin zusammen“, sagt Prondzynski. Einen Zentimeter lang und etwa zwei Millimeter dick war das an HCM erkrankte Laborherz der Forscher, das an Silikonstreifen befestigt in Zellflüssigkeit hing.
Um die kranken Herzzellen mit einer gesunden Kontrolle vergleichen zu können, korrigierten die Forscher mithilfe der Genschere CRISPR/CAS9 die Mutation in den Stammzellen. „So hatten wir gesunde Ausgangszellen, wie von einem gesunden Zwilling“, erklärt Prondzynski. Es entstanden also ein krankes und ein gesundes Laborherz für ihre Untersuchungen. Das Ergebnis: Die Kontraktionen der kranken Herzzellen waren stärker und dauerten länger als bei den gesunden. Die elektrische Erregung war deutlich in die Länge gezogen.
Der zugrunde liegende Mechanismus: Der neu erkannte Gendefekt bewirkt, so vermuten die Forscher, dass das für die Zellstruktur verantwortliche Protein fehlerhaft ist und seine Funktion nicht richtig ausüben kann. Das wiederum hat zur Folge, dass vermehrt Kalziumionen in die Herzzellen einströmen und die elektrische Erregungsleitung und Kontraktionszeit verlängern. Damit erhöht sich die Gefahr für Extraschläge. „Dies könnte ein Grund für Herzrhythmusstörungen bei HCM-Betroffenen sein“, so Lemoine.
Lemoine und Prondzynski testeten im nächsten Schritt, wie das kranke Laborherz auf Diltiazem reagiert – mit Erfolg. „Sie hatten Werte wie gesunde Zellen“, betont Prondzynski. Die behandelnden Ärzte verabreichten im nächsten Schritt den von HCM betroffenen Familienmitgliedern Diltiazem. Ihre EKGs normalisierten sich. Sie bekamen dank der Forschung mit iPS-Zellen die für sie passgenaue Arznei.
„Nur mit Hilfe wirkungsvoller Behandlungsmethoden lassen sich die bedrohlichen Folgen der HCM verhindern. Passgenaue Therapieansätze zur gezielten Bekämpfung der HCM sind daher dringend notwendig“, betont Prof. Dietrich Andresen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Mit ihrer prämierten Arbeit sind die beiden Forscher den Ursachen der HCM auf die Spur gekommen – eine vielversprechende Basis für neue Behandlungsstrategien gegen die HCM.“ Die beiden Forscher haben für ihre Arbeit jetzt den mit 5.000 Euro dotierten Wilhelm P. Winterstein-Preis der Stiftung erhalten.
Die Forschungsergebnisse als Poster gibt es hier.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung und Deutschen Stiftung für Herzforschung.
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