Ein Gynäkologe will das Verhütungsstäbchen einer Patientin entfernen. Doch dort, wo es sein sollte, kann er es nicht finden. Wo ist es hin?
Eine 31-Jährige stellt sich bei einem Gynäkologen wegen ungewöhnlicher Regelblutungen vor. Die Beschwerden bestünden seit etwa drei Monaten. Zuvor hatte sie einen normalen und regelmäßigen Zyklus. Ansonsten fühlt sich die Patientin gut und hat keinerlei Vorerkrankungen.
Die Frau verhütet seit acht Jahren mit einem Etonogestrel-Implantat. Bislang war die Frau mit der Methode zufrieden. Das Kunstoffstäbchen, das mit dem Hormon Etonogestrel benetzt ist, wird subkutan in den Oberarm implantiert und muss alle drei Jahre gewechselt werden. Bei der Patientin wurde das Verhütungsstäbchen zuletzt vor einem Jahr ausgetauscht.
Da der Gynäkologe eine organische Ursache für die abnorme uterine Blutung ausschließen kann und die Patientin auch nicht schwanger ist, vermutet er, dass das Implantat die Beschwerden auslöst. Denn zu den Nebenwirkungen zählen unter anderem Blutungsstörungen.
Der Arzt will das Stäbchen entfernen. Doch an der Stelle, an der es sich befinden sollte – an der Innenseite des Oberarms – kann er es nicht ertasten. Die Suche nach dem Stäbchen beginnt.
Per Ultraschall kann der Arzt die ungefähre Lage des Implantats ausmachen. Offensichtlich ist es bis in den linken Brustkorb gewandert. Wohin genau kann aber erst eine Röntgenaufnahme sowie ein CT offenbaren: Der Arzt lokalisiert das 40 mm lange Stäbchen in einem Gefäß des linken unteren Lungenlappens. Wie lassen sich die abnormen Blutungsstörungen damit erklären?
„Liegt das Stäbchen in Blutgefäßen der Lunge, setzt es dennoch Wirkstoff frei und wahrscheinlich sogar auf potentere Art als wenn es subkutan im Oberarm liegt“, kommentiert Dr. Petra Brandt den Fall. Sie ist Gynäkologin und Kanal-Expertin auf DocCheck. Damit ließe sich auch die neu auftrende Bluttungsstörung bei einer Patientin erklären, die schon länger mit dem Implantat verhütet.
Nach dem Fund ordnet der Arzt eine Thorakoskopie an. Die OP verläuft ohne Komplikationen und das deplatzierte Verhütungsstäbchen kann problemlos entfernt werden. Nach vier Tagen verlässt die Patientin die Klinik und bei Nachuntersuchungen ist sie komplett beschwerdefrei.
Auf der Gebrauchsinformation des Verhütungsstäbchen, das die Frau benutzte, ist die Migration des Stäbchens unter den Nebenwirkungen gelistet. Dort heißt es: „Es ist möglich, dass das Implantat ausgestoßen wird oder sich verlagert, speziell dann, wenn es nicht richtig eingelegt wurde. In seltenen Fällen wurde berichtet, dass Implantate in Blutgefäßen gefunden wurden, einschließlich in Blutgefäßen der Lunge. Zur Entfernung des Implantats könnte ein chirurgischer Eingriff notwendig sein.“
In der Praxis von Dr. Brandt hat sich das Stäbchen übrigens nicht bewährt: „Grund waren die Nebenwirkungen, in erster Linie Blutungsstörungen, Akne und Stimmungsschwankungen“, so das Fazit der Gynäkologin.
Textquelle: BMJ Case ReportsBildquelle: Marcelo Matarazzo, Unsplash