Unkomplizierte Harnwegsinfektionen können oft ohne Antibiotika und mit einer symptomatischen Behandlung geheilt werden. Um einer Antibiotikaresistenz entgegenzuwirken, sollten Antibiotika daher nur verschrieben werden, wenn sie wirklich nötig sind.
Braucht es unbedingt Antibiotika, um Blasenentzündungen zu heilen? Oder reicht bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen eine Behandlung mit Schmerzmitteln aus? Dr. Ildikó Gágyor und Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier vom Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben zusammen mit ihren Kollegen diese Fragen wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis: Rund zwei Drittel der Frauen mit einer unkomplizierten Blasenentzündung wurden ohne Antibiotika und nur mit Schmerzmitteln wieder gesund.
„Ziel der Studie war es, zu prüfen, ob bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die Beschwerden allein mit einem Schmerzmittel behandelt werden können, während die Infektion von selbst abheilt“, sagt Dr. Ildikó Gágyor, Leiterin der Studie. „Damit wollten wir auch zu einem rationalen Einsatz von Antibiotika beitragen“, so Gágyor. 494 Patientinnen in 42 Hausarztpraxen in Norddeutschland nahmen von 2012 bis 2014 an der Studie teil. Berücksichtigt wurden ansonsten gesunde Frauen, die mit typischen Anzeichen eines Harnwegsinfekts wie Brennen beim Wasserlassen und/oder häufigem Wasserlassen ihren Hausarzt aufsuchten. Sie wurden per Zufall einer von zwei Behandlungsgruppen zugeteilt. Eine Gruppe erhielt sofort ein Antibiotikum. Die andere Gruppe bekam ein Medikament, das Schmerzen lindert und die Entzündung hemmt. Die Frauen wurden gebeten, sich bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden wieder in der Praxis vorzustellen.
Insgesamt wurden zwei Drittel der Patientinnen, die mit einem Schmerzmittel behandelt wurden, ohne Antibiotikatherapie gesund. Bei einzelnen Frauen traten Nierenbeckenentzündungen auf. Dies war häufiger in der Gruppe, die nur mit Schmerzmitteln behandelt wurden, statistisch war dieser Unterschied jedoch nicht signifikant. In weiteren Forschungsprojekten wird nun untersucht, wie diese Frauen schon bei einer ersten Vorstellung erkannt und entsprechend behandelt werden können. „Die Ergebnisse unserer Studie sind eine Grundlage, um mit Patientinnen bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt zu überlegen, ob sie zunächst auf Antibiotika verzichten möchten“, sagt Dr. Jutta Bleidorn von der Medizinischen Hochschule Hannover. „Wir können belegen: Für sonst gesunde Frauen mit leichten bis mittelschweren Symptomen ist die symptomatische Behandlung häufig ausreichend und das Risiko von Komplikationen gering.“
Für Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der UMG, könnte die Beratung von Patientinnen mit Harnwegsinfektionen auch noch anders aussehen: „Wie zum Beispiel in Großbritannien üblich, kann auch eine sogenannte „delayed prescription“ erwogen werden. Das heißt, Patientinnen erhalten ein Rezept für ein Antibiotikum, das sie einlösen können, falls sich die Beschwerden nicht bessern.“ Bislang empfehlen nationale und internationale Leitlinien für Ärzte zur Behandlung bei Diagnose „Blasenentzündung“ eine sofortige Gabe eines Antibiotikums. „Die Ergebnisse [der Studie] werden die Therapieempfehlungen in der Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beeinflussen, die aktuell überarbeitet werden. Die Studienergebnisse stärken die Rolle der nicht antibiotischen Therapiemöglichkeiten für die betroffenen Patientinnen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Guido Schmiemann, Mitglied der nationalen Leitliniengruppe Harnwegsinfektionen. Originalpublikation: Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. Ildikó Gágyor et al.; British Medical Journal, doi: 10.1136/bmj.h6544; 2015