Um ihre Arbeit aufnehmen zu können, müssen Proteine eine vorgegebene dreidimensionale Struktur annehmen. In gesunden Zellen gibt es eine Vielzahl von Faltungshelfern und eine umfangreiche Qualitätskontrolle. Falsch gefaltete Proteine werden entweder repariert oder schnell abgebaut. Geschieht dies nicht oder nicht ausreichend, können Proteine mit sich selbst oder anderen Proteinen zu Aggregaten verklumpen und die Zellen schädigen.
Bei neurodegenerativen Krankheiten wie
Alzheimer,
Parkinson,
ALS und
Huntington scheinen solche Proteinaggregate für das Absterben von
Nervenzellen mit verantwortlich zu sein. Wie diese Verklumpungen die Zellen schädigen ist bis heute nicht geklärt. Deshalb wurde 2013 das
ToPAG-Konsortium ins Leben gerufen, ein Zusammenschluss verschiedener Expertengruppen, die diesem Rätsel auf der Spur sind. Erste Erfolge können jetzt vermeldet werden. So zeigen Wissenschaftler im Labor von Ulrich Hartl, ein weltweit bekannter Experte für
Proteinfaltung, dass es für das Überleben der Zelle entscheidend ist, wo sich die Aggregate innerhalb der Zelle befinden.
Aggregate mit klebrigen Eigenschaften
Um dies herauszufinden haben die Forscher, zusammen mit den Forschungsgruppen von Konstanze Winklhofer und Jörg Tatzelt an der Ruhr-Universität Bochum, ein künstlich hergestelltes Protein und das für die Huntington Krankheit verantwortliche Protein Huntingtin in Zellkulturen getestet. Beide Proteine lagern sich von allein zu großen Proteinklumpen zusammen. „Interessanterweise bildet dasselbe Protein im Zellplasma besser lösliche, aber für die Zelle giftigere Aggregate als im Zellkern“, erklärt Mark Hipp, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung von Ulrich Hartl und Leiter der Studie. Damit Proteinaggregate (rot) in den Zellen unter dem Mikroskop sichtbar sind, müssen sie vorher angefärbt werden. Die Zellkerne wurden blau, und die mRNA, die Bauanleitung für Proteine, wurde grün angefärbt. © MPI für Biochemie Proteinverklumpungen im Zellplasma verhinderten den Transport von RNA und richtig gefalteten Proteinen zwischen Zellkern und Zellplasma. Weil die Aggregate klebrige Eigenschaften haben, werden aus der Zelle lebensnotwendige Proteine weggefangen. „Wir haben in den Aggregaten im Zellplasma wichtige Bestandteile der zellulären Transportmaschinerie gefunden. Das hat zu Folge, dass die Bestandteile für einen funktionierenden Kerntransport dann fehlen, ungefähr so, als wenn Teile einer Maschine fehlen. Dann kann diese auch nicht im Ganzen funktionieren. Vermutlich ist das die Ursache für den geschädigten Transportweg“, erklärt Andreas Wörner, Erstautor der Studie. Wenn die RNA aus dem Zellkern nicht in das Zellplasma gelangen kann, können dort auch keine Proteine mehr hergestellt werden und die Zelle geht zugrunde. Warum die Aggregate, die sich direkt im Zellkern befinden die Nervenzellen weniger schädigen,
kann nur vermutet werden. Laut Studie scheint das Kernprotein NPM1 dabei eine zentrale Schutzfunktion auszuüben. „Die Ergebnisse der Studie bringen uns Forscher und Mediziner ein großes Stück weiter“, fasst Mark Hipp zusammen. „Denn wenn wir wissen, welche Schäden die Aggregate verursachen, können wir in Zukunft passendere Gegenmaßnahmen entwickeln.“ Originalpublikation: