Ein kleiner Junge wird von seiner Oma wegen merkwürdiger Krampfanfälle ins Krankenhaus gebracht. Zunächst haben die Ärzte keine Erklärung für die Symptome des Jungen – bis er etwas beichtet.
Ein fünfjähriger Junge wird von seiner Oma ins Krankenhaus gebracht. Sie berichtet, dass ihr Enkel seit drei Tagen unter Krampfanfällen leidet, ohne dabei bewusstlos zu werden. Diese Anfälle beginnen plötzlich und ohne erkennbares Muster, etwa vier bis fünfmal täglich. Zwischendurch würde der Junge sich dann wieder ganz normal verhalten.
Die Ärzte fragen, ob der Junge in der Vergangenheit bereits unter Krampfanfällen oder Spastiken gelitten habe, doch die Großmutter verneint. Auch nimmt er keinerlei Medikamente ein, die die Krampfanfälle auslösen könnten.
Die Ärzte führen ein EEG durch, dieses zeigt jedoch keinerlei Auffälligkeiten. Auch bei der körperlichen und neurologischen Untersuchung finden die Ärzte keine Erklärung für die Symptome des Jungen. Alle Laborparameter befinden sich im Normbereich. Da sich der Patientenfall in Nigeria abspielt, prüfen die Ärzte, ob das Kind an Malaria erkrankt ist. Die Tropenkrankheit kann in schweren Fällen zu Krampfanfällen führen.
Schließlich beschließen die behandelnden Mediziner, den Jungen stationär aufzunehmen und stellen vorerst die Diagnose Dystonie, auch wenn sie bisher nichts gefunden haben, was diese erklären könnte.
Der Junge schläft normal und zeigt sich auf der Station als aktives Kind. Die Ärzte behandeln ihn für die nächsten zwei Tage zweimal täglich mit Diazepam. Am dritten Tag wiederholen sich die Krampfanfälle, sogar während der Junge läuft. Allerdings fällt er dabei nicht hin, wie es bei Krampfanfällen oder Dystonie zu erwarten wäre.
Stutzig fordern die Ärzte das Kind auf, die Bewegungen zu wiederholen. Zum Erstaunen der Mediziner kann der Junge diese nicht nur mehrfach nachahmen, sondern ist auch in der Lage, sie wieder zu unterbrechen.
Im Gespräch erzählt der kleine Junge schließlich, dass er mit seiner Großmutter regelmäßig eine Art synkretischen Gottesdienst besuche, in dem die Betenden in eine religiöse Trance verfallen. In diesem Zustand vollziehen sie rhythmisch-kreisende Bewegungen, während sie spirituelle Botschaften überbringen. Der Junge gesteht schließlich, dass ihm diese Bewegungen gefallen und er sie deshalb imitiert habe – auch, weil er dadurch die Aufmerksamkeit seiner Großmutter bekomme.
Die Ärzte resümieren, dass bei Kindern ein simulierendes Verhalten schwer von einem echten zu unterscheiden sei. Im Falle eines Verdachts raten sie dazu, die Patienten gründlich zu untersuchen, notwendige Laboruntersuchungen und eine psychometrische Bewertung durchzuführen. Erhärtet sich der Verdacht auf Simulation, sollten sich Ärzte neutral verhalten und urteilsfrei sein, um die richtige Diagnose stellen zu können.
Ein Artikel von Natascha van den Hoefel.
Textquelle: Oluwasola Julius Oke et al. / NMJBildquelle: Sam Schooler / unsplash