Seit ein paar Monaten arbeite ich nun schon auf der Intensivstation. Hier muss ich vor allem reden: Mit Angehörigen, Hausärzten, Physiotherapeuten. Aber am wenigsten mit den Patienten.
Was ist meine Aufgabe, als Assistenzärztin auf der Intensivstation (IPS)? Was mache ich eigentlich den ganzen Tag? Als ich auf der IPS zu arbeiten begonnen habe, musste ich mir diese Frage natürlich erst mal selber beantworten – und war danach ganz schön ernüchtert. Denn ehrlich gesagt, so hab ich mir das irgendwie nicht vorgestellt.
Meine Aufgaben umfassen vor allem Dokumentation (Briefe und Verläufe schreiben, Diagnoseliste aktuell halten und so weiter) und Gespräche und Telefonate halten. Gespräche mit Angehörigen, mit Spezialisten aller möglichen und unmöglichen Fachgebiete im Hause oder in anderen Kliniken, mit Hausärzten, Physiotherapeuten oder Ernährungsberatern.
Morgens um 7:30 Uhr bekomme ich die Übergabe von der Nachtärztin und gehe dann auf die erste Runde, um mir ein klinisches Bild der Patienten machen zu können. Danach folgt die erste kurze Besprechung und Visite der chirurgischen Patienten mit den Oberärzten der Chirurgie und Anästhesie und gleich anschließend die Besprechung der medizinischen Patienten mit den medizinischen Oberärzten.
Als Nächstes folgt die eigentliche Visite. Zusammen mit einem Oberarzt sowie der jeweiligen Bezugspflegeperson gehen wir am Computer jeden Patienten sorgfältig und strukturiert durch, legen Medikamente und Tagesziele fest und beschliessen Untersuchungen. Das gibt eine recht lange To-do-Liste. Wenn diese Visite vorbei ist, habe ich Zeit, diese abzuarbeiten.
Mittags findet meist eine Fortbildung für die medizinischen Assistenzärzte statt, an denen ich teilnehmen darf, wenn ich Zeit dafür finde. Am Nachmittag finden Gespräche mit Angehörigen statt. Oder die Spezialisten kommen für irgendwelche Untersuchungen, zum Beispiel Magenspiegelungen oder Lungenspiegelungen, psychiatrische Beurteilungen und so weiter. Ich telefoniere mit Hausärzten, um alte Berichte, aktuelle Diagnoselisten oder Medikamentenlisten anzufordern, oder um die Hausärzte über den aktuellsten Stand zu informieren. So geht der Tag dann auch rum und um 19:15 Uhr kommt der Nachtdienst, dem ich wiederum eine Übergabe mache.
Am Patienten selber mache ich eigentlich wirklich nur sehr wenig – das hat mich etwas ernüchtert und gefällt mir auch nicht so gut. Auf der Anästhesie, da war ich direkt am Patienten, die ganze Zeit. Ich habe alle Installationen selber gemacht, von Blutdruckmanschette und EKG über Venenzugang und Urinkatheter bis zum Tubus. Habe überwacht und notiert, habe mit den Patienten geredet. Den (bisweilen zwar nur kurzen) Kontakt mit dem Patienten erlebte ich viel intensiver. Hier machen die Pflegenden fast alles selber, mich braucht es in erster Linie für zentrale Zugänge und Arterien. Das war’s.
Nachts bin ich allein. Es gibt den Oberarzt der Anästhesie, den ich beiziehen kann, wenn ich Probleme habe, und auch einen Arzt mit internistischem Hintergrund kann ich immer anrufen. Und das stimmt auch wirklich, auch nachts um drei sind sie sehr nett und hilfsbereit.
Als „Notnagel“ haben wir auch noch unseren ärztlichen Leiter im Rücken, der mir in meiner ersten Woche gesagt hat: „Bevor du zu weinen beginnst oder die Treppe zum Dach hochsteigst, rufst du mich an.“ Das meint er auch so. Und manchmal, wenn er weiß, dass wir besonders viele schwierige Patienten haben, ruft er vor dem Zubettgehen auch noch kurz an, fragt, ob es uns gutgeht und erkundigt sich nach den kritischen Patienten.
Allerdings ist es nachts auch eher ruhig, weshalb ich dann oft zu meinen Kolleginnen und Kollegen auf dem Notfall geselle. Dort kann ich die Chirurgen bei internistischen Fragen und die Internisten im Schockraum unterstützen. Wir Assistenzärzte arbeiten nun mal alle sehr gut zusammen. Wenn dann alles ruhig bleibt, kann ich irgendwann schlafen gehen. Vier Stunden pro Nacht wären mir vertraglich gegönnt, meist sind es weniger, aber das ist immer noch besser als gar kein Schlaf.
So richtig eingelebt habe ich mich auch nach über drei Monaten noch nicht, was auch daran liegt, dass ich praktisch keine Einarbeitungszeit hatte und hauptsächlich nachts, am Wochenende und an Feiertagen arbeite. Aber ich schlage mich wacker, zumindest meiner Meinung nach. Klagen hab ich bisher jedenfalls noch keine gehört.
Scheint so zu passen.
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