Wissenschaftler rätseln, warum Kuwait eine der weltweit höchsten Raten von Fettleibigkeit und Diabetes hat. Es liegt nahe, das Übergewicht auf den Lebensstil zurückzuführen. Doch nun gibt es Hinweise, dass die Ursache mit dem Zweiten Golfkrieg zusammenhängen könnte.
Kuwait ist durch seine Ölvorkommen ein wohlhabendes Land, was sich – ähnlich wie in anderen Ländern der Region – auf den Lebensstil ausgewirkt hat: In Kuwait sind von den Erwachsenen 43,4 Prozent der Männer und 58,6 Prozent der Frauen adipös. Die Prävalenz von Bluthochdruck liegt bei 26,3 Prozent. Wissenschaftler zweifeln aber daran, dass dies die alleinige Ursache der zunehmenden Lebensstilerkrankungen ist. Seit dem Jahr 2000 liegen weltweite Daten für die Diabetesprävalenz vor. Während in den USA die Diabetes-Prävalenz zwischen 2000 und 2017 mit jeweils um die zehn Prozent gleichbleibend hoch war, stieg sie in Kuwait zwischen 2000 und 2012 rasant auf knapp 24 Prozent an und ging seitdem langsam auf 15,8 Prozent zurück. Um die Gründe für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas bei Kuwaiter Kindern näher zu beleuchten, wurde eine Langzeitstudie initiiert, die überraschende Ergebnisse lieferte.
Bei 8.317 Kindern im Alter von zehn Jahren wurden im Jahr 2012 Blutdruck, Körpergröße und -gewicht gemessen sowie Speichelproben gesammelt. 2014 wurde die Prozedur bei 6.317 Kindern wiederholt. Von ihnen wurden 94 Kinder für metabolische Speicheluntersuchungen ausgewählt, die 2012 alle gesund und normalgewichtig waren. Zwei Jahre später lagen bei 51 Kindern mindestens drei von vier Merkmalen für ein metabolisches Syndrom vor, 43 weiterhin gesunde und normalgewichtige Kinder dienten als Kontrollgruppe. In den Speichelproben wurden dann 421 biochemische Verbindungen nachgewiesen und auf Unterschiede zwischen beiden Gruppen hin untersucht.
Es zeigte sich, dass die Hälfte der Kinder, die adipös geworden waren, einen hohen Gehalt an N1-Methyl-2-Pyridon-5-Carboxamid (2PY) aufwiesen. Dieser Biomarker, der eine Urantoxizität anzeigt, war von allen untersuchten Verbindungen am stärksten positiv mit Fettleibigkeit assoziiert (p = 0,0003). In einer vergleichbaren amerikanischen Gruppe adipöser Kinder aus Maine und Massachusetts wurden keine erhöhten 2PY-Werte gefunden.
2PY ist ein Metabolit des Vitamins Niacin und kommt in geringen Mengen im Speichel fast aller Menschen vor. In erhöhten Mengen kommt der Biomarker bei Nierenerkrankungen und bei einer Uranvergiftung vor. Er wurde auch in Verbindung mit Stoffwechselstörungen, Krebs und Thrombozytopenie beschrieben. Uran kommt in Kuwait natürlicherweise nicht vor, 1990/91 wurden im zweiten Golfkrieg aber fast 300 Tonnen Uranmunition in der zentralen Region Kuwaits eingesetzt und die Kontamination des Gebietes ist gut dokumentiert. Die geografische Verteilung der Bodenradioaktivität stimmte mit den im Speichel gemessenen 2PY-Konzentrationen überein: Sie waren in dem zentralen Gebiet, in dem die militärische Aktivität am höchsten war, am größten und in den Randgebieten von Kuwait reduziert.
Dass diese Kinder möglicherweise an einer Uranvergiftung leiden, könne zu der hohen Rate an Fettleibigkeit und Diabetes in Kuwait beitragen, schlussfolgert Dr. Max Goodson, emeritierter Professor am Forsyth Institute, der die Studie leitete. Er räumt aber auch ein, dass nicht Uran selbst, sondern nur ein Biomarker für eine Uranvergiftung in der Studie untersucht wurde. Auch andere Faktoren könnten zu erhöhten 2PY-Konzentrationen geführt haben. Deshalb brauche es weitere Studien, um herauszufinden, ob Uran tatsächlich zur Gewichtszunahme bei Kindern führt.
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