Ihr Zustand ist genauso ernst wie rätselhaft. Beim Arzt vorgestellt hatte sich die 26-Jährige aufgrund zunehmender Kurzatmigkeit, leichtem Fieber, Bauchschmerzen und Erbrechen. Noch vor der Erhebung einer vollständigen Anamnese trübt sie ein.
Weil die Ärzte bei einer 26-jährigen Patientin mit ihrem Latein am Ende sind, wird die Frau in ein größeres Krankenhaus verlegt. Der Zustand der Patientin ist genauso ernst wie rätselhaft. Vorgestellt hatte sie sich wenige Stunden zuvor aufgrund zunehmender Kurzatmigkeit und leichtem Fieber, das sie seit zwei Tagen hatte. Sie klagte über Bauchschmerzen und Erbrechen und noch bevor eine vollständige Anamnese erhoben werden konnte, trübt sie in der Notaufnahme zunehmend ein.
Rätselhafte Befunde
Mit 112 Schlägen/Minute ist der Puls der Patientin tachykard, ihr Blutdruck beträgt 140/70 mmHg. Die körperliche Untersuchung ergibt bei Auskultation der Lunge ein bilaterales, basales Knisterrasseln. Ihre Beine sind ödematös geschwollen – Blässe oder einen Ikterus zeigt sie nicht. In der neurologischen Untersuchung fällt eine Lähmung des rechten Nervus facialis auf, der Glasgow Coma Scale (GCS) beträgt 13. Dazu zeigen sich im Labor erhöhte Retentionsparameter, was auf ein akutes Nierenversagen hinweist.
Kontaminiertes Wasser?
Im zweiten Krankenhaus stellen die Ärzte unter Zusammenschau aller Befunde die Verdachtsdiagnose „Leptospirose mit akutem Nierenversagen“. Die Infektion mit dem durch Tierurin übertragenen Bakterium Leptospira interrogans ist wahrscheinlich, da es in der Gegend häufig vorkommt. Zu dem sehr variable Krankheitsbild der Leptospirose gehören außerdem Symptome wie Fieber, Bauchschmerzen und Nierenversagen.
Die Ärzte beginnen unmittelbar mit der Behandlung, doch ein nennenswerter Erfolg einer intravenösen Antibiotikabehandlung bleibt aus. Als auch eine Hämodialyse zunächst keine Wirkung zeigt, beginnen die Ärzte an ihrer Diagnose zu zweifeln. Denn auch eine Fazialisparese wurde im Zusammenhang mit einer Leptospirose bisher nicht beschrieben. Tatsächlich meldet das Labor kurze Zeit darauf, dass eine Infektion mit Leptospira interrogans ausgeschlossen werden kann.
Schlüsselinformation zum Schluss
Glücklicherweise wendet sich das Blatt bereits einen Tag später, denn die Frau klart unterwartet auf. Im Anamnesegespräch lüftet sich dann das Rätsel um die Ursache ihrer Erkrankung. Auf die Frage, ob während der Tage vor Fieberbeginn etwas Ungewöhnliches geschehen sei, fügen sich alle Puzzleteile zusammen.
Wie nie zuvor habe sie sich mit ihrem Ehemann gestritten, berichtet die Frau. Anschließend sei sie derart verzweifelt gewesen, dass sie in suizidaler Absicht eine größere Menge an Bremsflüssigkeit getrunken habe.
Derartige Flüssigkeiten beinhalten häufig Ethylenglykol. Die Toxizität geht nicht vom Ethylenglykol selbst, sondern von dessen Abbauprodukten aus. Hieraus resultiert ein zeitverzögertes Auftreten von Symptomen, was die Diagnose häufig erschwert.
Symptomatisch ähnelt die Intoxikation mit Ethylenglykol trotz unterschiedlicher Metabolite dem Erscheinungsbild der Methanolvergiftung. Neurologische, gastrointestinale, kardiopulmonale und renale Symptome sind häufig.
Nochmal gut gegangen
Bei der jungen Frau wird die Hämodialyse fortgeführt, bis die Nieren ihre Funktion wieder aufnehmen. Nach zehn Tagen kann sie nach Hause entlassen werden, bis auf die Fazialisparese haben sich zu dem Zeitpunkt alle Symptome zurückgebildet. Drei Monate später ist die Patientin wieder vollständig beschwerdefrei.
Textquelle: © B. M. D. B. Basnayake / Journal of Medical case reports / docc.hk/2bummx
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