In der Hitze des Gefechts sagt oder tut man manchmal verletzende Dinge. Das gilt auch für Ärzte. Als Notaufnahmeschwester hört man da hin und wieder Sätze, die noch lange nachhallen.
Ersatzliegen und Betten wurden geholt. Gerne hätten wir die Notaufnahme ausgeklappt, weil wir schon nicht mehr wussten, wohin mit all den Menschen, all dem Leid. Sie standen, saßen und lagen nicht nur in den Zimmern, sondern auch auf dem Flur.
„Oberarzt, könntest du mal die Notaufnahme bei der Leitstelle abmelden, bis wir hier mal ein bisschen klar Schiff gemacht haben?“, bat ich. Hin und wieder tat er das. Es bedeutet, dass man der Leitstelle Bescheid gibt, dass man in der nächsten Zeit aus den verschiedensten Gründen keine Patienten mehr annehmen kann. Nicht eingerechnet sind da natürlich die fußläufigen Patienten, die weiterhin vorbeikommen – und für die man ebenfalls einen Platz finden muss. Vom abgetrennten Finger bis zum Herzinfarkt ist da ebenfalls alles dabei. Er stand mit hochrotem Kopf – sein Zeichen für maximalen Stress am Telefon – schaute kurz auf und schnarrte: „Dann lauf halt schneller!“
Da fällt dir nix mehr ein.
Der Ton in Krankenhäusern oder an Orten, an denen unter Hochdruck so miteinander gesprochen wird, ist oft ein rauer. In guten Phasen spricht man dann gerne von „hart, aber herzlich“ und schlägt sich jovial auf die Schulter. Aber diese Worte sitzen tief.
Klar: Der Stress ist häufig die Ursache für den rauen Ton. Die nackte Angst, in der schwierigen Situation die beste Lösung zu finden, die 150 anderen Dinge, die noch warten. Das wissen wir alle. Da ist ordentlich Druck auf dem Kessel. Die meisten von uns sind so barmherzig und verdrängen blöde Sprüche ins allerletzte Herzenskämmerlein. Es muss ja weitergehen. Und morgen sehen wir uns alle wieder und müssen schauen, wie wir weiter zusammenarbeiten.
Trotzdem: Jeder Pflegerin, jeder Pfleger hat Sätze im Ohr, die sich in die innere Festplatte eines jeden von uns eingebrannt haben und lange nachhallen. Sätze, die man nicht vergisst. In den sozialen Netzwerken bat ich Kolleginnen und Kollegen, mir ihre Pfeile ins Herz zu schreiben.
Die Hitliste der blödesten Sprüche:
Dass solche Sätze ausgesprochen werden, ist sicherlich auch dem harten Alltag geschuldet. Der Gedankenlosigkeit. Und möglicherweise gibt es ähnlich Sätze, die Ärzte vom Pflegepersonal gehört haben und die sie nicht vergessen habe. Es wäre aber schön, wenn man zwischendurch die Zeit finden würde, miteinander zu reden. Nicht diese Sätze zu schlucken, sondern zu sagen: Das war Käse im Quadrat. So möchte ich nicht, dass mit mir geredet wird.
Zumindest nach meiner Erfahrung wird diesen Sätzen der Stachel genommen, wenn darüber geredet wird. Und um manche Kollegen macht man am besten einen großen Bogen, anstatt sich über die Ausdrucksweise zu beschweren. Es wäre Schade für den Sauerstoff, der verschwendet wird.
Eines darf man bei diesem Thema nicht vergessen: in der Pflege ist auch nicht immer alles Gold, was glänzt. Wie in allen Berufen gibt es auch hier solche und solche Kollegen. Für jeden Schatten und jeden blöde Spruch gibt es zum Glück jedoch auch immer einen Kollegen, der einem den Tag versüßt. Die Sätze klingen dann in etwa so:
Es gibt beides. Immer. Das 3. Gesetz eines Krankenhauses ist, dass immer alles auf Ausgewogenheit ausgerichtet ist. Sonst wäre vermutlich der Pflegenotstand ein noch viel größerer, wenn es nicht auch ebenso viel Wertschätzung und Anerkennung geben würde. Denn die meisten Ärzte wissen, was sie an den Pflegern haben. Das nennt man vertrauensvolle Zusammenarbeit. Teamarbeit. Und wenn das funktioniert, ist das ein großes Glück.
Bildquelle: Rusty Clark ~ 100K Photos, flickr