Seit Juni gibt es einen Urintest zur Früherkennung von Osteoporose. Zum happigen Preis von 299 Euro sollen Patienten schnell und unkompliziert feststellen können, ob sie vom Knochenschwund betroffen sind.
Osteoporose betrifft gut die Hälfte aller Frauen über 50 Jahre. Das Schwierige: Methoden zur Früherkennung sind aufwendig und invasiv. Bei der Knochendichtemessung wird zum Beispiel Röntgenstrahlung eingesetzt. Das Verfahren muss früh und oft angewendet werden, um eine Erkrankung zu erkennen und die Progression im Anschluss medikamentös verlangsamen zu können. Es wird allerdings nur für Risikopatienten empfohlen. Wird der Knochenschwund beim herkömmlichen Röntgenverfahren festgestellt, ist er meistens schon fortgeschritten. Für vorbeugende Maßnahmen ist es dann zu spät.
Die Kieler Firma Osteolabs will hier nun mit einem neuen Osteoporose-Test Abhilfe schaffen. Das Start-Up ist eine Ausgründung des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung. Wie passt das zusammen? Geschäftsführer Stefan Kloth erklärt: „Die Meeresforschung beschäftigt sich auch mit dem Element Calcium, welches zum Beispiel in Korallen eingelagert wird.“ Diese Einlagerung von Calcium in Korallen habe die Forscher auf die Idee gebracht, die Einlagerung von Calcium im menschlichen Skelett zu betrachten.
Wenn Patienten den Test bestellen, soll das Ganze, laut Website, so ablaufen: Der Patient bestellt den Test online, gibt eine Urinprobe ab und füllt den beigelegten Fragebogen aus. Das Ganze wird dann wieder an Osteolabs zurückgeschickt.
Die Forscher bestimmen jedoch nicht, wie bei einem Blutbild, den Calciumgehalt. Per Massenspektrometrie ermitteln sie vielmehr das Verhältnis der natürlich vorkommenden Isotope Calcium-44 zu Calcium-42. Isotope haben die gleiche Zahl an Protonen im Kern und sind deshalb die gleichen chemischen Elemente. Sie unterscheiden sich nur in der Zahl an Neutronen im Kern. Das führt zu einem unterschiedlichen Atomgewicht. Und ermöglicht, Calcium-44 von Calcium-42 zu trennen. Das Verhältnis erlaubt so, Hinweise auf eine beginnende Osteoporose zu finden und eignet sich deshalb als Biomarker.
Innerhalb weniger Tage, so ein Werbevideo der Firma, seien die Testresultate für den Patienten dann im Internet abrufbar. Mittels einer Ampel wird das Risiko für Osteoporose vereinfacht dargestellt, die genauen Ergebnisse könne der Patient aber auch sehen. „Unsere Diagnosemethode ist empfindlicher, kann also Osteoporose früher erkennen und ist zudem nicht-invasiv, das heißt kommt ohne Röntgen-Strahlung aus. Daher kann unsere neue Methode auch beliebig oft angewendet werden“, so Kloth.
Er betont, dass sich die Funktionsfähigkeit der Methode über eine Studie in Bone Reports nachweisen lasse. Dazu rekrutierten Eisenhauer und Kollegen 100 postmenopausale Frauen zwischen 50 und 75 Jahren. Die Probanden unterzogen sich einer Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA), dem Goldstandard der Knochendichtemessung. Nierenfunktionsstörungen und ein Vitamin-D-Mangel galten als Ausschlusskriterien. 20 Probandinnen mussten deshalb aus der Studie ausgeschlossen werden.
Die verbliebenen 80 Frauen wurden, nach dem DXA-Ergebnis, in eine Gruppe mit und eine ohne Osteoporose aufgeteilt. 14 Teilnehmerinnen hatten eine mehr oder minder schwere Osteoporose. Die 66 gesunden Probandinnen dienten als Kontrollgruppe. Alle gaben Blut-, Urin- und Stuhlproben ab.
Die Gesamtkonzentration von Calcium unterschied sich in diesen Proben bei beiden Gruppen nicht signifikant. Eisenhauer und Kollegen zeigten aber, dass sich das Verhältnis von Calcium-44 zu Calcium-42 stark unterschied. Die Werte waren bei den an Osteoporose erkrankten Probandinnen deutlich geringer. Die Forscher hielten daher fest: Das Verhältnis von Calcium-44 zu Calcium-42 eignet sich als Biomarker in Urin- und Blutproben.
Die Isotopenanalyse zeigte mehr Osteoporosefälle als das Röntgen. „Die offensichtliche Diskrepanz in der Anzahl der diagnostizierten Fälle wird durch die verschiedenen methodischen Ansätze zur Diagnose von Osteoporose in Einklang gebracht“, heißt es in der Studie. DXA spiegele die Knochendichte nur ausgewählter Knochen (Femur und Wirbelsäule) wider, wohingegen der Calcium-Isotopen-Biomarker den Calcium-Verlust des gesamten Knochengerüsts darstelle. Das Verfahren sei nicht invasiv und strahlungsfrei.
Die Veröffentlichung im Fachmagazin habe weitere Unterstützer generiert. Bei einer ersten Finanzierungsrunde zur Kommerzialisierung des Frühtests hat Osteolabs jetzt rund 1 Million Euro eingeworben.
Bezahlen müssen Patienten den Test aktuell noch selbst. Günstig ist er nicht: Zurzeit kostet ein Frühtest 299 Euro.
Mitarbeit am Artikel: Michael van den HeuvelBildquelle: Pixabay, Pexels