Lieferengpässe gehören zum Alltag der deutschen Apotheker. Oft sind sie dabei erste Anlaufstelle für den Ärger der Kunden. Wie man mit der Situation umgeht? Zwei Worte sind essenziell.
Das Thema Lieferengpässe ist in der Apotheke so aktuell wie kaum ein anderes. Wie erklärt man den Kunden, dass ihre Medikamente nicht zu bekommen sind, oder dass sie schon wieder den Hersteller wechseln müssen?
Besonders zeitraubend sind die täglichen Telefonate mit Industrie und Großhandel – wann werden welche Medikamente wieder ausgeliefert? Beim Umgang mit einem so offensichtlichen Mangel sind zwei Worte wichtig: kollegiale Zusammenarbeit.
Im Backoffice jeder Apotheke kennt man die aktuelle Kalenderwoche. Manchmal erinnert auch ein kleiner Kalender daran. Denn so hat man auf dem Schirm, wann welche Firma mit der Auslieferung ihrer Medikamente eigentlich beginnen wollte. Dann kann angefangen werden mit der Anfragerei, ob sich zum Beispiel Lodotra®, Valsacor® oder ganz banal Ibuflam® schon auf dem Weg zum Großhandel befinden.
Manchmal darf man dann sogar schon direkt beim Hersteller bestellen, damit die Kunden schneller versorgt werden können. Manchmal dauert es auch noch und die Auskunft lautet: „Präparat X wird voraussichtlich in KW Y wieder versendet.“ Diese Ansage kommt meistens vom Anrufbeantworter der Herstellerfirmen. Dann macht sich das Apotheken-Personal seufzend an die Arbeit, die vertrösteten Kunden über das verschobene Lieferdatum zu informieren und es in den Kalender einzutragen. Bis zum nächsten Stichtag.
Was da jeden Tag in den Apotheken gelebt wird, nennt sich Mangelverwaltung. Der ein oder andere kennt das sicher noch aus der Zeit vor der Wende. Bei vielen ist die Defektliste der Lagerartikel im dreistelligen Bereich, und es hat absolut nicht den Anschein, dass sich daran in der nächsten Zeit etwas ändern wird. Die Gründe sind vielfältig, oft von Politik und Wirtschaft hausgemacht. Und die Erklärungen, die auf berechtigte Nachfrage der Kunden kommen, klingen alle mehr wie eine Rechtfertigung.
Am Ende sind die Apotheken für viele einfach erst einmal Prellbock für den Ärger, das benötigte Medikament nicht zu bekommen. Aber kann man daran überhaupt etwas ändern? Die Antwort lautet ja – aber nur wenn innerhalb der Apothekerschaft zusammengehalten wird.
Die Zeiten, in denen andere Apothekeninhaber als Konkurrenten gesehen wurden, sollten vorbei sein. Sie sind Mitleidende mit den selben Problemen. Viele Präsenzapotheker setzen sich inzwischen zusammen und sprechen über ihre Schwierigkeiten mit der Gesundheitspolitik, den Retaxstellen der Krankenkassen, dem Personalmangel, den Softwarehäusern und sogar über Umsatzstatistiken.
In ERFA-Gruppen wird das diskutiert, aber auch (was den angeblich so rückständigen Pharmazeuten oft gar nicht zugetraut wird) bei Facebook, Twitter und Instagram. Dort finden sich nämlich nicht nur passive Zuhörer, sondern es ergeben sich Möglichkeiten zur Verbesserung. Offene Stellen können besetzt werden, weil ein anderer jemanden in der Nähe kennt, der auch sucht. Probleme mit der Software werden schnell gelöst, weil ein anderer auch bereits vor dieser Hürde stand und sie überwunden hat.
So einfach ist es mit den Lieferengpässen natürlich nicht. Doch wenn ein bestimmtes Antibiotikum gerade nirgends zu bekommen ist, aber für ein Kind mit Krampfanfällen, das nur genau dieses Medikament verträgt, benötigt wird, dann lohnt sich ein Aufruf in diesen Foren häufig. Was in Bayern nicht lieferbar ist, schlummert vielleicht irgendwo in Schleswig-Holstein in einem Kommissionierer vor sich hin.
Auch der Kunde, der von Valsartan® über HCT® und Candesartan® auf Irbesartan® gewechselt hat und ohnehin verunsichert ist, freut sich, wenn er nicht erneut umgestellt werden muss. So helfen sich viele Apothekerkollegen ganz unkompliziert und unkonventionell, um diese Engpässe zu überwinden.
Und das klappt nicht nur über das Internet. Wer keine Angst hat, sich wenigstens zum Teil den anderen Inhabern gegenüber zu öffnen, der findet noch effizientere Wege. Wer mit dem selben Softwarehaus wie andere Kollegen zusammenarbeitet, der kann sein Warenlager für andere sichtbar machen. Auf diese Weise kann Apotheker Müller aus X bei Apothekerin Meier aus Y virtuell vorbeischauen. Ein kurzer Anruf oder eine direkte Warenanforderung über die Schnittstelle genügt.
Und wenn der gleiche Großhandel die Apotheke beliefert, dann ist das gewünschte Medikament, je nach Entfernung der Apotheken zueinander, am nächsten Tag am neuen Bestimmungsort. Umgekehrt sollte man natürlich auch selbst bereit sein, sich von kleinen Schätzen aus dem eigenen Warenlager zu trennen.
Das ist alles natürlich nicht das Optimum, das ist klar. Besser wäre es, diese Engpässe würden gar nicht erst auftreten. Aber jede Krise birgt auch die Chance in sich, der Wendepunkt zum Umdenken zu werden. Die Apotheker sollten zusammenrücken und gemeinsam für ihre Kunden da sein. Die Rabattschlachten gegen die Konkurrenz sollten ein Ende finden und Platz machen für ein kollegiales Miteinander und Füreinander.
Dann sprechen die Apotheker vielleicht auch irgendwann der Politik gegenüber wieder mit einer einzigen starken Stimme und es wird nicht überall das eigene Süppchen gekocht. Der Glaubwürdigkeit unserer Forderungen würde das gerade heutzutage nicht schaden.
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