Der Pharmakogenetik gehört die Zukunft, schwärmen einige. Datenschutz und Bezahlbarkeit kommen zu kurz, kritisieren die anderen. Von den Kassen übernommen werden diese Gentests bislang nicht. Sparen sie an falscher Stelle?
Die Pharmakogenetik befasst sich mit dem Einfluss der Gene auf die Wirkung und die Verträglichkeit von Arzneimitteln. Daraus ergibt sich die DNA-basierte Genotypisierung. Hier wird mittels individueller DNA-Tests die Reaktion eines Patienten auf bestimmte Wirkstoffe geprüft. Dieses (Nicht-) Ansprechen bestimmter Genotypen auf Wirkstoffe ist in der HIV- und Krebstherapie bereits belegt. In der personalisierten Medizin scheint die Zukunft zu liegen – welche Rolle könnte hier die Apotheke spielen?
An Erfolgsgeschichten des jungen Forschungszweiges mangelt es nicht. Und die Relevanz leuchtet ein, wie das Beispiel Tamoxifen in der Brustkrebstherapie zeigt. Das Wachstum vieler Mammakarzinome wird durch die Bindung von Östrogen am Rezeptor gefördert. Tamoxifen stimuliert dagegen Progesteronrezeptoren und hemmt die Östrogenrezeptoren kompetitiv.
Noch stärker als der Wirkstoff selbst wirkt einer seiner aktiven Metaboliten, das Endoxifen. Um dieses Stoffwechselprodukt nutzen zu können, muss der Körper jedoch in der Lage sein, ein bestimmtes Enzym zu bilden. Aufgrund genetischer Besonderheiten verfügen acht Prozent der Europäer allerdings nicht darüber, und bei 33 Prozent ist es nur eingeschränkt wirksam.
Wenn nun bereits vor Therapiebeginn diese Personengruppe detektiert würde, könnte man eine individuell zugeschnittene Medikation ermöglichen. Ihre ohnehin angegriffenen Körper müssten keine Nebenwirkungen, bei ansonsten auch noch praktisch unwirksamen Stoffen, aushalten. Dieser Personenkreis würde dadurch von einer wirksamen Therapie profitieren, die auch die Wahrscheinlichkeit einer Remission deutlich senkt.
Bei manchen Arzneimitteln ist ein solcher Gentest sogar im Vorfeld bereits Voraussetzung für den Therapiebeginn. Die Träger des Genmarkers HLA B*5701 – eine genetische Abweichung von der Norm – verursacht in etwa achtzig Prozent der Fälle eine lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktion bei der Einnahme des Arzneistoffes Abacavir.
Pharmakogenetische Tests gibt es inzwischen bereits für verschiedene Wirkstoffgruppen, wie Antidepressiva, Statine oder Blutverdünner, zu kaufen. Manche Gen-Sequenzer-Firmen bieten auch sogenannte Universal-Scans für alle gängigen Arzneimittelgruppen an. Auch individuelle Wechselwirkungen bei der Einnahme mehrerer verschiedener Medikamente sollen auf diese Weise aufgedeckt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen diese Kosten allerdings nicht, der Patient muss sie selbst tragen.
Alexander Wild, Gründer und Betreiber der größten deutschen Internet-Community für Senioren, bedauert diesen Umstand. Gerade ältere Menschen, die viele verschiedene Medikamente einnehmen müssen, könnten von den neuen Möglichkeiten profitieren. „Wichtig sind ja vor allem die individuellen Wechselwirkungen bei der Verstoffwechselung mehrerer Medikamente. Es ist sehr schade, dass die Krankenkassen hier das Potenzial verkennen, das die Pharmakogenomik bieten könnte. Dabei geht es nicht einmal nur um Einsparpotenziale, sondern vor allem um viel Leid, das den Patienten erspart bleiben könnte, wenn die individuelle Genetik und die daraus resultierende Verstoffwechselung der Wirkstoffmoleküle bei der Medikation berücksichtigt werden würde“, so Wild.
Die Rolle der Apotheke sieht er vor allem in der Beratung zu den verschiedenen Tests, die bereits auf dem Markt verfügbar sind. „Die Apotheker kennen ja oft die komplette Medikation ihrer Kunden. Sie können die Beratung des Arztes ergänzen und schon heute auf die Möglichkeiten eines Gentests hinweisen, auch wenn dieser noch keine Kassenleistung ist. Für viele Tests in dieser Art existiert bereits eine Pharmazentralnummer.“
Obwohl viele neue Wege durch die Pharmakogenomik beschritten werden können, wird sie in manchen Bereichen auch kritisch gesehen. Es geht vor allem um Probleme in Hinsicht auf den Datenschutz, denn das Wissen um möglicherweise schwerwiegende Erkrankungen, die in den Genen schlummern, ist nur für den Betroffenen selbst wichtig.
Auch Versicherungen interessieren sich durchaus für derartige Informationen. Ethisch gesehen kann auch der Umgang der Person selbst mit solchen Ergebnissen, die sich mittels Testung vielleicht quasi nebenher ergeben, eine Herausforderung sein, die nicht zu unterschätzen ist.
Bildquelle: Fazal E Azeem Nisar, Flickr