Gute ärztliche Versorgung gelingt nur, wenn das 5G-Mobilfunknetz ausgebaut wird. Wirklich? Ja, denn ohne lückenloses und schnelles Netz müssen zum Beispiel viele Patienten auf lebensrettende Operationen warten.
In diesem Jahr fand die erste Live-OP der Welt in Barcelona statt. Der Eingriff wurde über den extrem schnellen Mobilfunk 5G aus einem Krankenhaus gestreamt und dabei von einem Chirurgen auf dem Kongress angeleitet und kommentiert. Das Ärzteteam im OP führte die Anweisungen aus, alles war in Echtzeit zu beobachten.
Während die Klinik in ihrem Blog feierlich verkündet, das Ganze sei „ein Durchbruch und eine Innovation für den Gesundheitssektor“, mahnen andere, die Begeisterung erstmal zu drosseln. Schließlich seien nicht einmal die Entwicklung und Einführung des aktuellen Mobilfunkstandards LTE der vierten Generation abgeschlossen.
Noch im vergangenen Jahr wurde an LTE-Advanced herumgedoktert. Der 4,5G-Standard soll das Bindeglied zwischen 4G und 5G sein. Inzwischen ist aber ersichtlich, dass es auf Basis des 4G-Standards keine weiteren deutlichen Verbesserungen bei den Datenraten geben kann.
Doch diese Verbesserungen sind dringend nötig, denn die Menge der ausgetauschten Daten wächst rasant. Hochrechnungen zufolge könnte 2023 jeder Smartphone-Besitzer 28 GB pro Monat herunterladen. Zum Vergleich: 2017 waren es nur etwa 4 GB. Das liegt zum einen am Datenverbrauch der einzelnen User – es wird zum Beispiel immer mehr hochauflösendes Videomaterial gestreamt.
Zum anderen liegt es aber auch an der steigenden Zahl der untereinander verbundenen Geräte, seien es nun Smartphones, Smartwatches, intelligente Fernseher oder Kühlschränke. „Für diesen Datenverbrauch und die erhöhte Anzahl von verbundenen Geräten wird das auf 4G basierende Netz nicht mehr geeignet sein“, heißt es in einem Fact Sheet des Science Media Centers. Das würde auch hochauflösende Bilder im medizinischen Bereich oder die Zukunft der viel gelobten Live-OP betreffen.
Schon die Versteigerung der neuen Frequenzen sorgte Anfang des Jahres für Kritik von allen Seiten. Die vier teilnehmenden Firmen – Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch – boten für die Frequenzblöcke insgesamt 6,6 Milliarden Euro. Geld, das an den Staat geht und nun den Firmen beim notwendigen Ausbau des Netzes fehlt. Ähnliches war bereits in den vorangegangen Versteigerungen von Mobilfunkfrequenzen passiert, die so entstandenen Funklöcher gibt es noch heute.
Zudem sei vor allem der Ausbau auf dem Land wichtig, nicht der des Breitband-Festnetzes. Nur so kann Telemedizin funktionieren. Ein Beispiel: Geräte wie CT-, MRT- und PET-Scanner sind längst zum medizinischen Alltag geworden. Doch die Menge an Daten, die sie inzwischen erzeugen, ist gigantisch. Wenn dann Dateien zur Befundung an externe Spezialisten geschickt werden sollen, kann das problematisch werden.
Denn ein Netzwerk mit zu geringer Bandbreite verlängert oder, im schlimmsten Fall, verhindert die Übertragung. Dazu kommt, dass nicht jeder Arzt Zugriff auf entsprechend ausreichende Netzwerke hat. Und selbst wenn der 5G-Standard im Klinikum angekommen ist, kann er von zuhause oder vom Kongress aus nicht genutzt werden, solange er nicht flächendeckend etabliert ist.
Dass das gefährliche Folgen haben kann, verdeutlicht die Zahl der weltweit unterlassenen Operationen wegen mangelnder Expertise – derzeit sind es 143 Millionen. Durch Live-OPs könnte diese Zahl deutlich verringert werden. Denn der Experte kann tausende Kilometer entfernt vor seinem Bildschirm sitzen und die Kollegen live durch die OP führen.
Auch die Vernetzung von Krankenhäusern und Rettungswagen, die fachliche Fernbehandlung von Langzeitpatienten und der Wissenstransfer zwischen Ärzten können von einem Ausbau des Netzes nur profitieren.
Wenn ein Netz zu große Lücken hat, ist es nutzlos und wird im schlimmsten Fall sogar gefährlich. Zum Beispiel dann, wenn Vitalwerte nicht in Echtzeit überwacht werden können, weil das Netzwerk zu langsam und nicht zuverlässig genug ist.
Dirk Wössner, Vorstandsmitglied und Sprecher der Telekom Deutschland, kommentiert die Entwicklung so. „Das Ergebnis hätte wesentlich günstiger ausfallen können. Auch diesmal ist das Spektrum in Deutschland viel teurer als in anderen Ländern.“ Vom Erlös der Auktion hätte man ungefähr 50.000 neue Mobilfunk-Standorte bauen und die immer noch zahlreichen weißen Flecken schließen können.
Die für das Gesundheitssystem geplanten Konzepte, wie etwa die Verbesserung der ärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten, werden also sehr lange genau das bleiben: Konzepte.
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