Transdermale therapeutische Systeme (TTS) sind moderne Arzneiformen mit vielen Vorteilen. Falsch angewendet können sie jedoch Schaden anrichten. Besonders das Opioid Fentanyl ist ein Sorgenkind. Durch Spritzen, Saugen oder Sauna ergeben sich Risiken der besonderen Art.
Ohne Zweifel haben TTS zahlreiche Vorteile: Geringere Anwendungsfrequenz, bessere Compliance, geringerer First-pass-Effekt. TTS können ansatzweise als intelligente Arzneiformen bezeichnet werden, da sie die Arzneistoffabgabe selber steuern. Beim Matrixprinzip liegt der Arzneistoff als Lösung, Feststoff oder homogene Dispersion vor. Für dieses System spricht, dass es durch die matrixgesteuerte Freisetzung nie zu einer Spontanentleerung kommen kann. Auch bei einer Verletzung des TTS bleibt die Freisetzung konstant. Bei Membransystemen befindet sich der Wirkstoff in Form einer Lösung oder Dispersion in einem Reservoir und wird durch eine Membran kontrolliert an die Haut abgegeben. Ein Zerschneiden des Pflasters beschädigt die Kontrollmembran und stört die kontinuierliche Freisetzung des Arzneistoffs („dose-dumping“). Die Indikationen für TTS sind vielfältig: Nikotinentwöhnung, Reisekrankheit, Parkinson, Hormonmangel, Angina Pectoris. Die größte Verbreitung haben die Wirkstoffpflaster jedoch in der Schmerztherapie gefunden. Nicht selten werden die Systeme fälschlicherweise als „Morphinpflaster“ bezeichnet. Sie enthalten jedoch entweder das Opioid Buprenorphin oder Fentanyl.
Die träge Kinetik der transdermalen Systeme kann beim Wechsel auf andere Analgesieformen zu Problemen führen. Beim Umstieg von anderen Opioiden auf Buprenorphin TTS kann die Anflutungsphase problematisch sein. Wegen der Effekte der einzelnen Wirkstoffe an verschiedenen Opioidrezeptoren kann es zu einer Interaktion eines Agonisten mit dem Partialagonisten Buprenorphin und zur Aufhebung der analgetischen Wirkung kommen. Buprenorphin wirkt als gemischter Partialagonist/Antagonist. Die Gefahr einer Atemdepression bei Überdosierung oder einer missbräuchlichen Anwendung als Injektion ist daher kaum gegeben. Sowohl Buprenorphin als auch Fentanyl sind im Vergleich zu Morphin etwa 100 Mal so potent. In einer Arbeit von Khanna et al. wird besonders das Sicherheitsprofil hervorgehoben. Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Fentanyl-Hautpflaster geben über 72 Stunden eine konstante Menge Wirkstoff ab. Diese Menge ist von der Kontaktfläche des TTS abhängig und beträgt 25 bis 100 µg pro Stunde. Bei der ersten Applikation eines Fentanyl-Hautpflasters dauert es mindestens 24 Stunden, bis einigermaßen konstante Plasmaspiegel erreicht sind. Es hat sich gezeigt, dass etwa ein Drittel der Patienten das Medikament schneller resorbiert und alle 48 Stunden ein neues Pflaster braucht, um Wirkungseinbrüche zu vermeiden. Die Pflaster dürfen nicht zeitlich überlappend geklebt werden, da es sonst durch kontinuierliche Diffusion aus dem vorher aufgebauten „Hautdepot“ zu erhöhten Wirkstoffkonzentrationen im Blut kommen kann.
Sauna, Solarium, Sommerhitze und Sonnenbäder können die Wirkspiegel eines dermal applizierten Pharmakons massiv steigern. Eine klinisch-pharmakologische Studie an gesunden Erwachsenen zeigte, dass eine Wärmeanwendung im Anwendungsbereich des Pflasters die mittleren AUC-Werte von Fentanyl um 120 Prozent und die mittleren Cmax-Werte um 61 Prozent erhöhte. Fentanyl als Vollagonist kann beim falschen Anfluten eine massive Atemdepression auslösen. Seit langer Zeit gilt für Opioide „Mischen impossible“. Es ist unsinnig, unterschiedliche Opioide gemeinsam zu verabreichen. Nicht selten wird Morphin mit beispielsweise Tramadol oder Tilidin/Naloxon kombiniert. Alle Vollagonisten greifen an den selben Opioidrezeptoren an. Das stärkere Opioid verdrängt das schwächere vom Rezeptor. Das WHO-Stufenschema ist seit langer Zeit etabliert, auch hier gilt: Nur ein Opioid pro Patient. „Die Kombination von Arzneimitteln der Stufe-III mit Medikamenten der Stufe-I ist je nach Schmerzart sinnvoll, eine Kombinationsbehandlung von schwachen und starken Opioiden dagegen nicht. Dennoch erhielten 21 Prozent der Patienten diese nicht indizierte Arzneimitteltherapie“, so die Autoren Marschall und L’hoest in ihrem Beitrag „Opioidtherapie in der Versorgungsrealität“. Wenn der Kombinationspartner zusätzlich noch andere Rezeptoren besetzt, kann es jedoch zu einer Steigerung der Nebenwirkungen kommen. Tramadol beispielsweise interagiert auch mit Serotoninrezeptoren und steigert die Übelkeit.
Die pharmazeutischen Unternehmer, die Zulassungen für transdermale Systeme mit dem starken Opioid-Analgetikum Fentanyl halten, warnen in einem mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) abgestimmten Rote-Hand-Brief vor der versehentlichen Exposition Opioid-naiver Personen, insbesondere Kinder, mit dem hochpotenten Schmerzwirkstoff. Auch nach fristgerechtem Entfernen von im Rahmen einer Schmerztherapie verordneten Fentanylpflastern verbleiben in diesen hohe Restmengen an Substanz. In den gebrauchten Pflastern sind noch bis zu 70 Prozent (!) der ursprünglichen Wirkstoffmenge enthalten. Dadurch kommt es immer wieder zu Vergiftungen von mit den Pflastern spielenden Kindern.
Fentanyl ist als Rauschmittel in der Drogenszene sehr begehrt, es besitzt eine hohe Reinheit und ist stärker als Heroin. Die kurze Wirkdauer macht allerdings eine häufige Applikation notwendig. Von Seiten der Polizei gibt es Hinweise, dass gebrauchte Fentanylpflaster aus Krankenhaus- bzw. Altenpflegeheimmüll entwendet, zerschnitten und in Wasser aufgekocht werden, sodass sich das Fentanyl aus den Pflastern löst. Anschließend wird die Mischung i. v. injiziert, warnt die Bayerische Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis BAS e.V. „Die Dosierung ist dabei äußerst schwierig“, warnt Frank Konrad von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Nach wie vor sei nicht Crystal Meth, sondern Fentanyl das größte Problem in der Region. Auch viele Todesfälle sind auf diese Substanz zurückzuführen. Die Pflaster würden inzwischen aber auch gehandelt. Im August 2011 führte der Münchener Drogennotdienst in drei Kontaktläden für Konsumenten illegaler Drogen eine Befragung zum Fentanylgebrauch durch. Der Fragebogen wurde allen auskunftsbereiten Kunden der Kontaktläden zur Verfügung gestellt, unabhängig davon, ob Fentanyl konsumiert wurde oder nicht. Es wurden soziodemographische Daten, Daten zur Substitution und Angaben zum Fentanylkonsum erhoben. 94 Fragebögen konnten ausgewertet werden. 85,1 Prozent gaben an, Fentanyl intravenös zu konsumieren, 27,6 Prozent lutschen Pflaster, 4,2 Prozent schlucken Pflaster. Transdermaler Konsum wurde in keinem Fall angekreuzt (Mehrfachnennungen waren möglich). 34,1 Prozent der Fentanylverwender konsumieren Fentanyl „mehrmals pro Woche“, „täglich“ bis „mehrmals täglich“. Der Anteil der reinen Fentanylkonsumenten liegt unterhalb von 10 Prozent. Bei der Bezugsquelle wurde von den verfügbaren Kategorien „vom Arzt verschrieben“, „neue Pflaster vom Schwarzmarkt“ und „gebrauchte Pflaster vom Schwarzmarkt“ ausschließlich die Kategorie „neue Pflaster vom Schwarzmarkt“ angekreuzt. „Fentanylpflaster sind in Deutschland zum stark wirksamen Opioid der ersten Wahl geworden. Bei Verordnung und Umgang werden jedoch Empfehlungen für eine sichere Anwendung nicht immer beachtet“, warnte die AMK bereits im Jahr 2012. Nicht mehr benötigte Betäubungsmittel sollten grundsätzlich an eine Apotheke zur fachgerechten Vernichtung zurückgegeben werden. Die Weitergabe eines zurückgegebenen Betäubungsmittels zur Nutzung durch andere ist nicht zulässig. Auch in den USA ist Fentanyl als Droge ein Problem. Das Vancouver Coastal Health Center hat jetzt eine Kampagne gestartet, die in Gaststätten und Nachtclubs vor dem Gebrauch von Fentanyl warnen soll. Mit Aufklebern in den Toilettenräumen sollen die Partygänger für die Gefahren sensibilisiert werden.
Nicht nur Fentanyl in TTS kann riskant sein. Durch den falschen Sprühkopf eines Rezeptur-Nasensprays hat eine Patientin versehentlich die 2,8-fache Menge Fentanyl zu sich genommen. Eine Apotheke hatte bei der Herstellung des Sprays die Packmittel verwechselt. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) fordert die Apotheken daher auf, bei der Herstellung von Arzneimitteln genau hinzusehen. Die Patientin hatte das Spray zur Behandlung von Phantomschmerzen verordnet bekommen. Anstelle des in der Gebrauchsanweisung geforderten Zerstäubers für 0,05 ml pro Hub war ein Sprühkopf für 0,14 ml pro Hub verwendet worden. Opioidhaltige TTS sind effiziente und sichere Arzneimittel, die Fehlanwendung, insbesondere das Injizieren der gewonnen Fentanyllösung, ist jedoch extrem risikoreich.