Die Sprache eines Menschen verrät viel über seine psychische Gesundheit. Psychiater, Neurologen und Psychologen wollen per Sprachanalyse den Ausbruch einer Krankheit vorhersagen können. Sie untersuchten Sprachaufzeichnungen sowie Facebook-Postings.
Anhand der Sprechweise eines Menschen erkennt ein Algorithmus, ob die Person in Zukunft an einer Psychose erkranken wird. Und durch Textanalysen von Facebook-Einträgen können Depressionen bis zu drei Monate eher diagnostiziert werden als von einem Arzt, wie eine Studie zeigt.
Ein höheres Risiko an einer Psychose zu erkranken haben laut einer aktuellen Proof-of-Concept-Studie Personen, die in ihren gesprochenen Sätzen weniger Bedeutung vermittelten als gesunde Personen (geringere semantische Dichte). Außerdem benutzten sie häufiger die gleichen Wörter oder Wörter, die mit Geräuschen in Verbindung stehen. Solche feinen Unterschiede seien aber in normaler Konversation nicht heraushörbar und nur mittels Machine Learning erkennbar, so die Forscher. Mit der Technologie ließen sich Symptome früher erkennen und durch vorbeugende Therapien das Auftreten von Psychosen verzögern oder sogar verhindern.
Auch im geschriebenen Text lassen sich Hinweise auf mögliche psychische Erkrankungen finden. Schon im letzten Jahr wurde in einer Studie gezeigt, dass durch Textanalysen von Facebook-Einträgen Depressionen bis zu drei Monate eher diagnostiziert wurden als von einem Arzt. Darauf aufbauend weiteten die Wissenschaftler der Penn Medicine und der Stony Brook University ihre Untersuchungen aus und stellten fest, dass sie über die Sprachmuster in Facebook-Posts auch Erkrankungen wie Diabetes, Angstzustände, Depressionen und Psychosen vorhersagen können.
Nach Einwilligung von 999 Nutzern hatten die Forscher knapp eine Million Facebook-Einträge mit insgesamt etwa 20 Millionen Wörtern mit den elektronischen Krankenakten der Nutzer abgeglichen und festgestellt, dass sich über die Sprache in den Posts Krankheiten und gesundheitliche Zustände identifizieren ließen: Über Worte, Wortpaarungen und Themen wurden jeweils typische Sprachwolken identifiziert. Besonders gut funktionierte die computergestützte Sprachanalyse (Natural language processing) bei Schwangerschaften, Diabetes und psychischen Erkrankungen. Bei manchen Krankheiten lagen die Assoziationen mehr oder weniger auf der Hand, z. B. waren für einen Alkoholmissbrauch die Wörter „trinken“ und „betrunken“ typisch, feindselige Wörter und Kraftausdrücke waren bei Drogenmissbrauch und Psychosen vermehrt anzutreffen. Andere waren weniger intuitiv zu erfassen: Menschen, die in ihren Beiträgen häufig religiöse Begriffe wie „Gott“ und „Beten“ oder „Familie“ verwendeten, hatten eine 15-mal höhere Wahrscheinlichkeit für Diabetes, als diejenigen, die diese Begriffe selten verwendeten.
Alle 21 untersuchten Krankheitskategorien konnten über die Facebook-Sprache richtig eingeordnet werden, wobei die Einbeziehung von demografischen Informationen wie Alter und Geschlecht die Vorhersagen bei 18 Erkrankungen noch präziser machte.
Social Media liefern Informationen aus dem Alltag von Patienten, die Ärzten nur schwer zugänglich sind: Es geht in den Beiträgen häufig um die Lebensgewohnheiten und -erfahrungen einer Person und darum, wie sie sich fühlt. Die Wissenschaftler haben nun die Idee, dass solche Informationen – mit Einverständnis der Nutzer – genau wie körperliche Symptome überwacht und als Marker für Krankheitsrisiken verwendet werden könnten.
Die Forscher planen, dass die Nutzer ihre Social-Media-Inhalte demnächst nach Einwilligung direkt mit ihrem Gesundheitsdienstleister teilen. Damit soll untersucht werden, wie groß die Bereitschaft dafür ist, und ob die breite Verwaltung und Auswertung solcher Daten umsetzbar ist, damit sie schließlich in eine aktive Versorgung von Patienten münden.
Die Forscher vergleichen das individuelle „social mediome“, wie sie es nennen, mit Informationen aus Genomanalysen. In beiden Fällen sind ganz ähnliche Fragen zu klären bezüglich Privatsphäre, Dateneigentum und Zustimmung zur Nutzung. Um das Pro und Kontra solcher Datenanalysen geht es in der Studie allerdings nicht. Die Autoren zeigen nur auf, welche Möglichkeiten bestehen.
Artikel von Karen ZoufalBildquelle: Kaleidico, Unsplash