Männliche Patienten haben oft den Wunsch, ihren Penis zu verändern. Aber nur wenige lassen sich tatsächlich professionell behandeln. Einer meiner Patienten wagte einen riskanten Versuch: Er ließ sich flüssiges Paraffin direkt in den Penis spritzen.
Paraffine sind chemisch betrachtet acyclische Alkane, die vor allem als Brennstoffe für Lampen, Kerzen oder Grillanzünder und in der Kosmetikindustrie verwendet werden. Auch bei Lebensmitteln hat sicher jeder Kontakt mit Paraffin in Form der wachsähnlichen künstlichen Käserinden gemacht und vielleicht sogar kleine Teile verzehrt.
Paraffin gilt als ungefährlich und findet auch als Abführmittel Einsatz. In der Histologie werden Präparate in Paraffin eingebettet, um die weitere mikroskopische Untersuchung von Körpergewebe möglich zu machen.
Der österreichische Chirurg Robert Gersuny verlieh Paraffin Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine ganz andere Funktion: Er verwendete es als Hodenprothese oder in anderen Körperregionen, um verschiedenste Defekte oder Deformationen auszugleichen. Erinnert mich persönlich mehr an einen Restaurator als an einen Arzt.
Nach anfänglich guter Verträglichkeit kam Paraffin dann an immer mehr Stellen des Körpers zum Einsatz und sprach sich unter ärztlichen Kollegen herum. So wurden Penisse mit Hilfe des angeblichen Wundermittels vergrößert und Erektionsprobleme behandelt. Die Patienten waren mit dem Ergebnis zunächst zufrieden.
Bald aber zeigte sich die Schattenseite des in der „Medizin“ zumeist flüssig verwendeten Paraffins. Nach einem oder manchmal auch bis zu 40 Jahren kam es zu harten entzündlichen Knoten in Form von sklerosierenden Lipogranulomen, verursacht durch das injizierte Paraffin.
Dabei sorgte die teilweise lange Latenzzeit gepaart mit der anfänglichen Zufriedenheit der Patienten bzw. Kunden für eine weitere Verbreitung der Prozedur, vor allem in Richtung Osteuropa und Russland bis nach Korea.
Selbst heute noch stellen sich vereinzelt Patienten mit einer Paraffinom des Penis vor. In den meisten Fällen verursacht durch im Heimatland erworbene Paraffin-Injektionen bei zumeist nicht-medizinischen „Dienstleistern“. Mein bisher einziger Paraffinom-Patient berichtete, die Prozedur in einer Apotheke erhalten zu haben.
Besonders tückisch ist, dass sich das Paraffin im gesamten Körper verbreiten kann und so zu Granulomen an vom „Primarius“ weit entfernten Stellen führt. Wie bereits erwähnt auch noch nach mehreren Jahrzenten. Streng genommen ist das Wort Primarius natürlich etwas fälschlich gebraucht, da es sich bei sklerosierenden Lipogranulomen nicht um bösartige Tumoren handelt.
Allerdings können die entzündlichen Prozesse zur Entstehung von beispielsweise Plattenepithelkarzinomen führen, wodurch eine frühzeitige Behandlung der Erkrankung umso dringender indiziert ist.
In den meisten Fällen ist dann eine großzügige chirurgische Exzision von Nöten, um alle granulomatösen Herde zu entfernen. Gerade im Falle einer penilen Lokalisation führt dies zu ausgiebigen Defekten, die in der weiteren Behandlung zu teilweise zahlreichen plastischen Eingriffen führen. Im schlimmsten Fall ist eine komplette Penektomie notwendig.
Teilweise kommen bei der Behandlung des Paraffinoms auch lokal applizierte oder systemisch verabreichte Glukokortikoide zum Einsatz, wobei dies zumeist bei vom Patienten abgelehnter operativen Therapie erfolgt.
Wie man sich vor solch einem Paraffinom schützen kann, ist recht einleuchtend. Bitte weisen Sie ihre Patienten im Zweifelsfall daraufhin, sich kein Paraffin in und um den Penis herum zu spritzen.
Text von Volker WittkampBildquelle: Francisco Schmidt, flickr