Ein Fallbericht aus dem New England Journal of Medicine zeigt, wie wichtig Telemedizin bei der Versorgung von Patienten in entlegenen Regionen ist. Der Patient, selbst Krankenpfleger, erlitt einen Herzinfarkt. Er schaffte es, sich nach Anweisung selbst zu versorgen, bis Hilfe eintraf.
Coral Bay an der Westküste Australiens. Der nächste Arzt ist 150 Kilometer weit entfernt. Vor Ort gibt es einen medizinisch gut ausgestatteten Notfallstützpunkt, der von einem Krankenpfleger (44) betreut wird. Eines Tages litt der Kollege selbst an Schmerzen in der Brust, Schwindel und Übelkeit. Viel sprach für einen Herzinfarkt.
Der Pfleger begab sich in seine eigene Notfallambulanz, weitere Personen konnte er auf die Schnelle nicht erreichen. Umgehend fertigte er ein EGK an und schickte alle Daten per Mail an den Western Australia Emergency Telehealth Service (ETS). Dort beraten Fachärzte für Notfallmedizin Ärzte und Pflegekräfte über Videokonferenzen an anderen Ortent. Seit der Einführung im Jahr 2012 haben die ETS-Experten mehr als 50.000 Konsultationen durchgeführt. 74 Prozent der Patienten konnten vor Ort behandelt werden, sodass Transporte über hunderte von Kilometern hinweg vermieden wurden.
Bei dem Pfleger aus Coral Bay diagnostizierte das ETS einen ST-Hebungsinfarkt (STEMI). Im Krankenhaus würden Ärzte jetzt Blutgerinnsel per Thrombolyse entfernen. Alternativ bleibt, das betroffene Gefäß mit einer perkutanen transluminalen Koronarangioplastie zu eröffnen und Stents einzusetzen. Therapien in der Klinik schieden aufgrund langer Transportwege aus. Bei einem STEMI wird meist auf ein Zeitfenster von 90 Minuten verwiesen, mehr Zeit sollte zwischen den ersten Symptomen und dem Therapiebeginn nicht vergehen. Der Royal Flying Doctor Service (RFDS) hat zwar mehr als 60 Flugzeuge im Einsatz, es gelingt aber trotzdem nicht, Patienten innerhalb kürzester Zeit zu erreichen. Im Fall des Pflegers beschlossen der Patient und die ETS-Kardiologen daher, die Behandlung mithilfe von telemedizinischer Unterstützung vor Ort fortzusetzen. Der Betroffene legte sich selbst einen Zugang und verabreichte danach Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Morphin und Heparin intravenös. Nitroglycerin kam sublingual hinzu. Sicherheitshalber legte er Defibrillator-Pads an und stellte Adrenalin, Atropin und Amiodaron zur Notfallmedikation bereit. Schließlich griff er zur Tenecteplase und begann, sein Blutgerinnsel enzymatisch zu lösen. Bald darauf verschwanden seine Beschwerden und das EKG zeigte keine typischen ST-Strecken-Hebungen mehr an. Stunden später legten Kardiologen in Pearth einen Stent. Weitere Therapien waren nicht erforderlich.
Im Artikel spricht Satjit Bhusri, Kardiologe am Lenox Hill Hospital New York City, von einem „bislang einzigartiger Fall“. Der Pfleger habe so gehandelt, wie es Ärzte im Krankenhaus auch getan hätten. Entscheidend seien die Vorbildung und die Unterstützung per Telemedizin gewesen. Bhusri warnt Laien vor eigenmächtigen Behandlungsversuchen, hat für sie aber trotzdem eine Botschaft: „Es ist auch wichtig, Anzeichen und Symptome eines Herzinfarkts zu kennen und Hilfe zu holen.“