Eine unzureichend ausgeprägte Hirnfalte kann ab dem zweiten Lebensjahr als Hirnmarker für Autisten dienen. Je geringer der sogenannte „sulcal pit“ ausgeprägt ist, desto stärker sind die Kommunikationsfähigkeiten des Kindes eingeschränkt.
Forscher des französischen Zentrums für wissenschaftliche Forschung haben durch MRT-Untersuchungen einen für Autismus typischen speziellen Hirnmarker entdeckt, der ab dem zweiten Lebensjahr auftritt. Bei der entdeckten Anomalie handelt es sich um eine weniger ausgeprägte Falte des Broca-Areals. Diese Region des Gehirns ist für Sprache und Kommunikation verantwortlich. Diese Entdeckung basiert auf den Ergebnissen der MRT-Untersuchungen und einer Kohorten-Studie an Patienten, bei denen bereits im frühen Alter Autismus identifiziert wurde. Sie ermöglicht eine verbesserte und frühzeitigere Diagnose bei diesen Patienten.
Die charakteristischen Windungen und Furchen des Gehirns entstehen schon in den letzten Schwangerschaftsmonaten durch mechanische Kräfte: Die Nervenfasern zwischen den unterschiedlichen Arealen der Hirnoberfläche geraten zunehmend unter Spannung, wenn die Hirnrinde des Fötus wächst. Gehirnregionen, die durch viele Nervenfasern miteinander verbunden sind, werden während der embryonalen und frühkindlichen Entwicklung des Hirns zueinander gezogen und wölben sich zu Hügeln auf. Furchen entstehen in den weniger stark vernetzten Regionen zwischen den Hügeln. Die Forscher beschäftigten sich insbesondere mit dem „sulcal pit“ – dem tiefsten Punkt jeder Hirnfurche. Sie untersuchten Jungen im Alter zwischen zwei und zehn Jahren, die in drei Gruppen unterteilt waren (Autisten, Kinder mit autistischen Symptomen und Kinder ohne Autismus-Spektrum-Störungen) und stellten fest, dass die Hirnfurche bei autistischen Kindern deutlich geringer ausgeprägt war als bei den beiden anderen Gruppen. Daraus lässt sich schlussfolgern: je flacher die Furche, desto schlechter sind die Kommunikationsfähigkeiten.
Diese spezifische Anomalie bei autistischen Kindern könnte als Biomarker für diese Erkrankung genutzt werden und so eine frühzeitigere Diagnose ermöglichen. Bislang erfolgt die Diagnose hauptsächlich über klinische Symptome, die durch Beobachtung und Gespräche mit den Kindern und ihren Eltern festgestellt werden. Dies geschieht in Frankreich durchschnittlich im Alter von 4,5 Jahren. Im Laufe ihrer Untersuchungen stellten die Forscher zudem fest, dass die Entwicklung des Gehirns – wie bislang angenommen – nicht mit der Geburt abgeschlossen ist. Sie konnten beobachten, dass sich bestimmte Furchen in den oberflächlichsten Schichten auch später noch weiter ausbilden. Diese Entwicklung verläuft bei autistischen und gesunden Kindern gleich. Originalpublikation: Localized Misfolding Within Broca’s Area as a Distinctive Feature of Autistic Disorder Lucile Brun et al.; Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscienes and Neuroimaging, doi: 10.1016/j.bpsc.2015.11.003; 2016