Wenn Ärzte das Wort Gematik hören, denken sie an eine böse Hexe. Jetzt kommt Spahns Kronprinz Leyck Dieken an die Macht. Küsst er Gesundheitskarten und Patientenakten wach – oder reißt er das Zepter an sich, um Big Pharmas Reich zu vergrößern?
Hören Ärzte oder Apotheker nur den Namen Gematik, fühlen sie sich eher wie im Märchen als in der realen Welt. Allerdings nimmt die Gematik dann wohl die Rolle der bösen Hexe ein. Weitere wichtige Akteure waren lange Jahre die sieben nicht ganz so kleinen Zwerge: die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV).
Ihr Ringen begann im Jahre 2005. Sie stritten über die Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), inklusive möglicher Anwendungen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kabbeln sie sich noch heute. Das dachte sich wohl auch Jens Spahn (CDU), aktiver, manchmal auch etwas überaktiver, Bundesgesundheitsminister.
Prompt schickte Jens I. seine Heerscharen los und übernahm die Gematik. Mittlerweile halten seine Ritter des Bundesministeriums für Gesundheit 51 Prozent der Geschäftsanteile der Gematik. Den sieben Zwergen blieben noch in unterschiedlichen Anteilen 24,5 Prozent (GKV-Spitzenverband) bis zu mageren 3,92 Prozent (Deutscher Apothekerverband). Mehr als Brosamen sind das nicht.
Nach guter Königsmanier ließ Jens I. gleich mal unerwünschte Akteure beseitigen. Es traf Alexander Beyer, seit 2015 Geschäftsführer der Gematik und zuvor Leiter des Bereichs Recht. An seine Stelle rückt ab 1. Juli der Pharmamanager Dr. Markus Guilherme Leyck Dieken. Der Internist und Notfallmediziner war bereits in leitenden Positionen für Teva, Ratiopharm und Shionogi tätig. In Deutschland kennt man ihn außerdem als stellvertretenden Vorsitzenden des Lobbyverbands Pro Generika.
Leyck Dieken, Bildquelle: Teva
Mit seiner 51-Prozent-Mehrheit konnte Jens I. die Personalie durchdrücken. Kommenden Freitag soll die offizielle Proklamation stattfinden. Alle anderen Gematik-Mitspieler bleiben Teil des Pöbels – und reagieren verschnupft. „Das ist nicht zwingend ein Beispiel für gute Zusammenarbeit“, sagte Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbands. Immerhin finanzieren alle GKVen zusammen die Gematik.
Wer ist der neue Gematik-Kronprinz aber nun? Dieken hat nicht nur Arzneimittel entwickelt, sondern auch Erfahrung im Bereich Digitalisierung gesammelt. Bei Teva war er für das IT-Zukunftsprogramm „Teva 2021“ verantwortlich. Vielleicht gelingt ihm ja, das laut schnarchende Gematik-Dornröschen wachzurütteln. Küssen reicht hier nicht mehr aus.
Auch im Lager der sieben Zwerge könnte er für Ordnung sorgen. Lange Zeit hatte vor allem die Ärzteschaft alle Entwicklungen mit Hinweis auf Sicherheitslücken torpediert. Das mag stimmen, ist aber nur ein Ausschnitt der Realität. Tag für Tag landen Menschen wegen Arzneimittelinteraktionen im Krankenhaus. Oder Ärzten fehlen vor nicht planbaren Eingriffen wichtige Daten. Digitale Technologien retten Leben. Und vielleicht hört man auf einen Kollegen ja eher als auf einen Juristen, wer weiß.
Das klingt gut. Doch der neue Gematik-Chef kommt aus einer anderen Welt. Seine Worte hatten in der pharmazeutischen Industrie Gewicht, zählen aber noch lange nicht in der bürokratischen Welt aus Gesetzen und Regelungen.
Zeigen muss sich auch, ob Dieken wirklich neutral handelt. Spahns frühere Affinität zu Big Pharma ist bekannt. Und Anwendungen wie das E-Rezept oder die elektronische Gesundheitskarte müssen frei von den Einflüssen der Arzneimittelindustrie bleiben. Vergessen wir nicht: Dieken war ebenfalls Lobbyist und hat vielleicht schon einen giftigen Apfel in der Aktentasche.
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