Arzt sein und Homöopathika verschreiben – nicht nur Jan Böhmermann hält das für unvereinbar. Wir sehen das auch so und wollten deshalb von den Ärzten aus unserer Community wissen, wie sie sich in der Diskussion positionieren.
Dass Homöopathika abgesehen vom Placebo-Effekt keine pharmakologische Wirkung aufweisen, darum soll es in diesem Beitrag nicht gehen. Auch nicht um das Spannungsfeld zwischen Arzt und Heilpraktiker. Sondern nur darum, welche Position Ärzte in dieser Debatte einnehmen. Jan Böhmermann hat in seiner Sendung zum Thema Unwirksamkeit von Homöopathika keine Insiderinformationen aufgedeckt, auch wenn es manche Zeitungen in ihren Berichten so aussehen lassen. Erfrischend ist aber der Umstand, dass der Satiriker nicht nur Homöopathie als solche angreift, sondern neben den Gesetzlichen Krankenversicherungen auch jene Ärzte, die mit ihr Geld verdienen.
Wie viele Ärzte tatsächlich Globuli verschreiben, lässt sich nicht sagen. In der Schweiz etwa setzt einer Zürcher Studie zufolge ein Viertel der Ärzte gelegentlich auf homöopathische Mittel, auch wenn viele von ihnen nicht an deren Wirksamkeit glauben. Wir fragten in der Community nach, was Ärzte von Jan Böhmermanns Kritik halten. Die Meinungen gehen auseinander: „Nur wer selbst zu den Gläubigen der Globuli gehört, wird mit Böhmermanns Aussage ein Problem haben“, sagt ein HNO-Arzt. „Wer als Arzt Homöopathie betreibt, gehört zu Recht gerügt“, findet ein Medizinstudent. „Homöopathie ist zunächst einmal eine sehr ausführliche Anamnese“, findet hingegen ein Allgemeinmediziner. Die Gabe homöopatischer Mittel sieht er als Möglichkeit, psychosomatische Probleme anzugehen: „Da kann man schon manch überflüssige, teilweise belastende, auf jeden Fall teure Untersuchung sparen. […] Das homöopathische Medikament stellt dann nur einen Teil des Gesamtpaketes dar.“
Sowohl in der Community als auch in den Medien wandert der Blick häufig in Richtung Kassen, wenn es um die Schuldfrage geht. Kritiker wie Dr. Christian Lübbers vom Informationsnetz-Homöopathie finden die Vorgehensweise der meisten Gesetzlichen Krankenkassen unverantwortlich. „Wer Zuckerkügelchen als ‚Peanuts‘ abtut, missbraucht das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherungen“, sagte er einmal in der TAZ.
Ein User aus der DocCheck Community sieht aber auch das Handeln von Ärzten problematisch, gleichzeitig weist er darauf hin, dass man ohne Zusatzleistungen wie etwa die Homöopathie kaum über die Runden komme. „Von unseren Kassenpauschalen alleine, die im Monat kaum einen mittelpreisigen Handyvertrag entsprechen, ist doch kaum von angemessener Bezahlung zu reden”, argumentiert er und beschreibt einen Teufelskreis: „Schlimm ist, dass Kassen Geld in alternative Methoden pumpen, weil Patienten es wollen, weil im Rückschluss wir vielleicht zu halbherzig handeln, weil man die Menge machen muss und sich die Patienten nicht gut oder auch nicht vernünftig behandelt fühlen.“ Wer aber soll diesen Teufelskreis durchbrechen, wenn nicht die Ärzte?
Ein milder Umgang mit der Homöopathie mag im ersten Moment großzügig wirken. Der eine oder andere Allgemeinmediziner versucht vielleicht, „das Beste“ aus der Sache rauszuholen, nach dem Motto: Warum sich nicht den Placebo-Effekt zunutze machen? Immerhin tut das ja keinem weh: Der Patient ist glücklich, mit einem Medikament nachhause gehen zu können, das zwar nicht nötig ist, ihm aber ein gutes Gefühl gibt und dank des Placebo-Effekts womöglich sogar ein klein wenig helfen wird. Der Hersteller ist glücklich, weil er ein weiteres Fläschchen verkauft hat. Die Krankenkasse und der Arzt sind glücklich, weil der Patient glücklich ist. Und wenn es sich um einen Arzt mit Zusatzbezeichnung Homöopathie handelt, gibt es für die Zusatzleistung mehr Geld.
Ausgangspunkt ist trotz allem ein Arzneimittel, das keine nachweisbare Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus aufweist. Das System funktioniert, aber nur, wenn man den Systemfehler darin ausblendet. Einer Umfrage aus dem Jahr 2014 zufolge kommt die Einnahme von Homöopathika für beeindruckende 60 Prozent der Deutschen in Frage. Dieser Irrglaube wird vom Hausarzt kultiviert, wenn er Homöopathika verschreibt – selbst wenn er dies aus wohlwollenden Gründen tut. Er ist also, ob er will oder nicht, aktiv an der Etablierung der Homöopathie in unserer Gesellschaft beteiligt.
Wenn Barmer, Techniker Krankenkasse, AOK und andere für ihr Verhalten zu Recht Kritik einstecken müssen, sollten auch Ärzte sich dieser Kritik stellen. Schließlich wird kein Arzt gezwungen, homöopathische Leistungen anzubieten. Wenn man beispielsweise auf der Website des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte nach Allgemeinmedizinern in Deutschland sucht, erhält man über 1.300 Einträge. Auf einem Portal wie Jameda gibt es die Kategorie „Ärzte für Homöopathie“, die über 4.200 Ärzte umfasst. Rund 7.000 Ärzte verfügen aktuell über die Zusatzbezeichnung Homöopathie, zudem haben 2.300 Ärzte das Diplom, das der DZVhÄ als Nachweis einer erweiterten Ausbildung ausstellt, heißt es auf der Website des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN). Das ist nicht wenig.
Damit der Umgang mit Homöopathie nicht bagatellisiert wird, braucht es kritische Stimmen. Ein paar bissige Böhmermann-Kommentare werden an den 60 Prozent vorerst zwar nicht viel ändern. Sie sorgen dennoch dafür, dass Menschen vermehrt über das Thema reden und nachdenken. Und: Was sagt man als Arzt dann zu einem Patienten, dem man immer wieder Globuli verschrieben hat und der nun wissen will, warum man ihn nicht aufgeklärt hat?
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