Aufgrund einer schmerzhaft geschwollenen Vulva stellt sich eine 29-jährige Frau in einer Klinik vor. Die sonografische Betrachtung der Schwellung lässt die Gynäkologin stutzen.
Die Schwellung bestehe seit gestern, reiche bilateral von den großen zu den kleinen Schamlippen bis in die Perinealregion und sondere trübes Sekret ab, so die Patientin. Sie erzählt weiter, vor fünf Tagen ihr zweites Kind zur Welt gebracht zu haben. Bei der Geburt sei der Damm gerissen, was durch wenige Stiche genäht wurde.
Nach einer ersten Inspektion der Schwellung gehen die Ärzte zunächst von einer Infektion dieser Naht aus. Bei genauerer Betrachtung des Sekrets bekommt die behandelnde Gynäkologin jedoch einen Verdacht. Als die Patientin dazu angibt, bei der Geburt ihres ersten Kindes sehr ähnliche Symptome gehabt zu haben, stützt dies ihre Vermutung.
Tatsächlich bestätigt eine Ultraschalluntersuchung, dass es sich bei der Schwellung nicht schlichtweg um eine Wundinfektion handelt. Die Patientin weist in ihrer Vulva ektopes Milchdrüsengewebe vor, welches unter dem aktuellen Hormoneinfluss Milch produziert. Die Stiche der Dammriss-Naht führten dabei zu einem Milchstau, welcher eine Entzündungsreaktion im Drüsengewebe begünstigte.
Die ungewöhnliche Lage des Drüsengewebes beruht auf der embryonalen Entwicklung der Milchleiste, welche zunächst am ventralen Rumpf bilateral zwischen Leiste und Achselhöhle verläuft. Während sich die Leiste in den meisten Fällen bis auf zwei thorakale Epithelknospen vollständig zurückbildet, können bei gestörter Rückbildung überzählige Brustwarzen oder Drüsenkörper entstehen.
Der Patientin schafft in diesem Fall die Entfernung der Nähte und die Gabe eines Antibiotikums Erleichterung. Die Schwellung, die Schmerzen und der Milchausfluss lassen in den nächsten zwei Wochen so deutlich nach, dass die junge Mutter ihr Kind nun beschwerdefrei weiter stillen kann.
Die Frage, ob der Drüsenkörper chirurgisch entfernt werden sollte, sorgt im Team für Diskussion. Es stellt sich die Frage, ob das potentielle Entartungsrisiko des ektopen Gewebes einen chirurgischen Eingriff bei einer nun beschwerdefreien Patientin rechtfertigt.
Die behandelnden Ärzte entschieden sich in diesem Fall gegen eine Operation und fordern in ihrem Bericht Leitlinien zum Umgang mit dieser Fragestellung.
Textquelle: © Mayer et al / Obstetrics & Gynecology Bildquelle: © Skylar Jean / Unsplash