Die WHO hat die Computerspielsucht als psychische Erkrankung anerkannt. Ulmer Forscher veröffentlichten jetzt den ersten psychologischen Test für die sogenannte Gaming Disorder.
Wer sein Gaming-Verhalten nicht mehr kontrollieren kann, dem Computerspiel Priorität gegenüber anderen Aktivitäten einräumt und an diesem Verhalten trotz negativer Konsequenzen nichts ändert, könnte gemäß Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Computerspielsucht leiden. Bereits vor einigen Monaten hat die WHO die sogenannte Gaming Disorder in die 11. Auflage ihres Krankheitskatalogs „International Classification of Diseases“ (ICD-11) aufgenommen. Nun wurde der Katalog auch offiziell erweitert.
Die Aufnahme der sogenannten Gaming Disorder in den Krankheitskatalog der WHO und die damit einhergehende Definition bieten neue Möglichkeiten, gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen der Erkrankung zu erforschen. Laut WHO kann jedoch erst von Computerspielsucht ausgegangen werden, wenn Betroffene dieses Verhaltensmuster über mindestens zwölf Monate zeigen und es zu schweren Beeinträchtigungen des Familienlebens, der Ausbildung oder etwa der Arbeitsleistung kommt. Wie lässt sich das feststellen? Forscher um Prof. Christian Montag von der Universität Ulm haben jetzt den weltweit ersten psychologischen Test zur Untersuchung der Computerspielsucht entwickelt.
Der Online-Fragebogen orientiert sich an den Kriterien der WHO und erfasst Gaming-Aktivitäten der vergangenen zwölf Monate bis zum Tag der Erhebung auf einer Skala von eins bis fünf (1 steht für die Selbsteinschätzung „nie“ und 5 bedeutet „sehr oft“). Ziel des Tests ist weniger die Diagnose als die Erforschung von Auswirkungen des exzessiven Spielens. Studienteilnehmer erfahren lediglich, ob ihre Ergebnisse im Vergleich mit allen Probanden eine Tendenz zur Gaming Disorder aufweisen.
Anhand der Stichprobe haben die Forscher ihren neuen Gaming Disorder Test bereits überprüft. „Exzessives Videospielen ist schon heute ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko in asiatischen Ländern und ein aufkommendes Problem in Europa. Um große, internationale Studien durchführen zu können, haben wir das neue Instrument kulturübergreifend konzipiert und in China sowie Großbritannien getestet“, erläutert Montag.
Die Stichprobe umfasste 236 junge Chinesen, die an einer Universität in Beijing studierten, sowie 324 britische Studenten aus dem Großraum London und aus den East Midlands. Das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre. Ausschlusskriterium für die Teilnahme an der Online-Befragung war die Angabe, in den letzten zwölf Monaten kein Videospiel gespielt zu haben.
Nach Abschluss der Erhebung haben die Forschenden mit komplexen statistischen Verfahren überprüft, ob sich der Test zur Messung der Computerspielsucht eignet („Validität“) und ob es das Konstrukt zuverlässig misst („Reliabilität“). Zudem konnten sie erste Rückschlüsse auf das Gaming-Verhalten der untersuchten chinesischen und britischen Studierenden ziehen. So unterschied sich das Vorkommen der Computerspielsucht nach WHO-Kriterien zwischen beiden nationalen Gruppen nicht signifikant.
Im Mittel gaben die Studierenden an, zwölf Stunden in der Woche zu spielen. Dabei verbringen sie fast die Hälfte dieser Zeit (46 %) am Wochenende alleine vor dem Computer oder sonstigen mobilen Endgeräten. Insgesamt 36 Teilnehmende (6,4 %) berichteten von großen Problemen im Alltag aufgrund ihres Spielverhaltens und könnten somit die Diagnosekriterien der WHO erfüllen. Nach diesem Testlauf ziehen die Forschenden eine positive Bilanz: „Der Gaming Disorder Test scheint geeignet, um die Häufigkeit und, in Kombination mit anderen Fragebögen, auch Effekte der Computerspielsucht in großen, kulturübergreifenden Gruppen nach den vorgeschlagenen WHO-Kriterien festzustellen“, so Montag. Künftig müsse der neue Fragebogen noch an Patientenstichproben validiert werden.
Aktuell plant die Forschergruppe die bislang größte Untersuchung zur Computerspielsucht mit möglichst Tausenden von Teilnehmern: Für alle Interessierten steht der Gaming Disorder Test ab sofort in deutscher und englischer Sprache online zur Verfügung. Weitere Probanden wollen die Forschenden unter anderem über die Electronic Sports League (ESL) rekrutieren, dem nach eigenen Angaben weltweit größten E-Sports-Anbieter mit engen Verbindungen zur Gaming Community. Untersucht werden zum Beispiel soziodemographische Merkmale, die individuelle Persönlichkeit und Motivation der Gamer.
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Textquelle: Pressemitteilung der Universität UlmBildquelle: HariKumarThapamagar, Pixabay