Herr Grooz betritt die Notaufnahme. Herr Grooz wartet zwei Stunden. Schwester Margarita drückt mir den Aufnahmebogen in die Hand und raunt genervt: „Herr Grooz, 25 Jahre alt, unspezifisches Unwohlsein seit vier Wochen.“ In meinen Ohren klingt das eher semidringend.
Ich bilde mir gleich mal ein unfreundliches Vorurteil und stelle mir Herr Grooz als verweichlichte, jammrige Person vor. Jemand, der aus Bequemlichkeit am Abend den Betrieb der Notaufnahme mit seinem sicherlich gänzlich unwichtigen Problem aufhalten wird, anstatt einfach mal zum Hausarzt zu gehen. Die Jugend von heute eben.
Es ist 20 Uhr am Abend. Herr Grooz erzählt, er fühle sich seit vier Wochen richtig unwohl, aber eher so unspezifisch unwohl. Beim Hausarzt wäre er schon gewesen und im Krankenhaus in Ursa Major Minor in der Notaufnahme, aber keiner wüsste, was los wäre. Er sei doch nicht verrückt. Ihm gehe es schlecht. Unkonkret schlecht.
„Hm“, sage ich und untersuche Herrn Grooz. Wenn man fest auf dem Bauch herumdrückt, tut es weh und wenn man fest auf den Rücken klopft, tut es auch ein bisschen weh. Aber nur wenig. Vermutlich ein unspezifischer, viraler Infekt, denke ich mir schon mal eine Diagnose für den Ambulanzbrief aus.
Schwester Margarite bringt mir ein Papier mit Herrn Grooz Blutwerten, leicht erhöhte Leberwerte. Hm, wie war das nochmal mit meinen initialen Vorurteilen? Mein Gehirn grumpelt sich durch mögliche neue Diagnosen: Eine Medikamentenintoxikation? Pilze? Alkohol? Hepatitis? Fancy Autoimmunerkrankung? Vielleicht ist es ja auch etwas Banales wie eine infektiöse Mononukleose, auch wenn Herr Grooz keine der typischen Symptome wie Lymphknotenschwellungen oder Halsschmerzen aufweist.
Das Labor macht mir gleich einen Mononukleoseschnelltest und ich schreibe mir noch ein paar weitere Dinge auf, die man im Verlauf tun könnte. Hepatitisserologie, vielleicht ein paar Autoantikörper bestimmen, natürlich ein Ultraschall, eventuell eine Leberbiopsie. Oder einfach mal Abwarten und die Werte später nochmals kontrollieren.
Bingzing, hier ruft das Labor an. Positiver Schnelltest auf infektiöse Mononukleose. Das war ja einfach. Ich plane die glorreiche Verkündung der Diagnose, um Herrn Grooz dann endlich heimzuschicken. Pfeiffersches Drüsenfieber kann man auch daheim haben.
Zur Supersicherheit mache ich noch einen Ultraschall. „Aber warum?“, sagt Herr Grooz, der sehr erleichtert ist, dass man endlich weiß, was los ist.„Naja“, sage ich und schiebe den glitschigen Schallkopf auf seinem Bauch herum, „bei so einer infektiösen Mononukleose, da kann es zu einer Vergrößerung der Milz kommen. Und ganz, ganz selten dadurch auch zu einem Einriss des Organs. Aber das ist echt selten. Also machen sie sich keine Sorgen. Hm, und hier sehe ich ja auch Ihre Milz.“
Die ist deutlich vergrößert. „Also, hier ist die Milz und hier … oh … also, das tut mir leid, aber hier sieht man deutlich einen Riss in Ihrer Milz.“ Blöd.
Herr Grooz übernachtete dann auf der Intensivstation von Allgemeinchirurgen, von Argusaugen überwacht. Von wegen unwichtiges Problem, das nicht in die Notaufnahme gehört.
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