Leihmutterschaft und Eizellspende sind in Deutschland verboten – noch. Aber die Forderungen nach einer Legalisierung werden lauter. Welche medizinischen Aspekte müssen berücksichtigt werden?
Frauen, die aufgrund einer ovariellen Funktionsstörung, einer Ovarektomie oder nach einer Chemotherapie nicht schwanger werden, können von einer Eizellspende profitieren. In Deutschland ist das allerdings aktuell noch verboten. Das könnte sich in Zukunft ändern. Doch wie läuft das Verfahren überhaupt ab? Für die Spenderin ergibt sich hierbei folgendes Vorgehen: Sie erhält über etwa 9-12 Tage follikelstimulierende Hormone und muss sich mehreren Ultraschalluntersuchungen unterziehen. Danach werden unter Narkose Eizellen durch vaginale Punktion entnommen, wobei es sich hier um einen invasiven Eingriff handelt. Deshalb ist über eine mögliche Infektionsgefahr sowie eventuelle Verletzung von Nachbarstrukturen und Narkosezwischenfälle aufzuklären.
Bei der vorausgehenden hormonellen Stimulation ist das sogenannte ovarielle Überstimulationssyndrom gefürchtet. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Gesamtinzidenz mit 0,6-14 % angegeben. Davon sind 1-10 % leichte bis mittelschwere und 0,2-5 % schwere Fälle. Letztere stellen eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation dar. Die Uterusschleimhaut der Empfängerin wird, je nach individueller Situation, mit einer Hormonkombination vorbereitet. Kommt es aufgrund einer Eizellspende zu einer Schwangerschaft, werden häufiger Schwangerschaftskomplikationen, insbesondere das Auftreten einer Präeklampsie und deren Folgen, beobachtet.
Erlaubt ist die Eizellspende bisher unter anderem in Österreich, Frankreich, Spanien und Polen. In der Medizinethik sprich man bei der Eizellspende von dissoziierter Mutterschaft, denn das Kind hat eine genetische Mutter (Eizellspenderin) und eine biologische Mutter (Eizellempfängerin), die das Kind austrägt. Üblicherweise wächst das Kind dann bei der biologischen Mutter (Eizellempfängerin) auf. Somit ist diese auch die soziale Mutter.
Auch die Leihmutterschaft soll in Deutschland legalisiert werden, fordern Wissenschaftler. Frauen, die keinen intakten Uterus besitzen – wie etwa beim Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom – oder ihn durch Hysterektomie verloren haben, profitieren von der Möglichkeit einer Leihmutterschaft. Einige schwere Erkrankungen, zum Beispiel Herzinsuffizienz, stellen ein zu hohes Risiko für eine eigene Schwangerschaft dar. Weiterhin können homosexuelle Paare so ein Kind zeugen, das zumindest mit einem der Partner genetisch verbunden ist. Verschiedene Konstellationen der Leihmutterschaft sind möglich:
Üblicherweise trägt eine Leihmutter das genetische Kind eines Paares aus, indem deren Eizelle und Sperma mittels IVF zuvor zusammengeführt wurden. Man spricht auch hier von dissoziierter oder multipler Mutterschaft, wobei in diesem Fall die austragende Frau nicht die soziale Mutter ist.
In einigen Ländern, wie Australien, Belgien, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden und Schweden, ist eine altruistische Leihmutterschaft erlaubt. Ein kommerzielles Vorgehen ist in wenigen Ländern, wie Russland, Thailand, einigen US-Ländern und Indien, möglich. Häufig besteht ein erhebliches ökonomisches Ungleichgewicht zwischen der Leihmutter und den Auftrag gebenden Wunscheltern.
Eine Leihmutter nimmt die Risiken und körperlichen Beeinträchtigungen einer Schwangerschaft auf sich, die meist denen der eingangs erwähnten Eizellspende entsprechen. Mögliche Verdienstausfälle aufgrund der Schwangerschaft sind in sozial schwächeren Ländern nicht adäquat geregelt. Eine Geburt kann schlimmstenfalls lebensbedrohlich für die Entbindende werden.
Während Schwangerschaft und Geburt entstehen Interaktionen zwischen Mutter und Kind. Auch die hormonelle Situation begünstigt eine emotionale Bindung an das Kind. Das Gefälle zwischen oftmals sozioökonomisch schlechter gestellter Leihmutter und gut situiertem Wunschelternpaar, drängt die Leihmutter auch in eine schlechtere Verhandlungsposition gegenüber Vermittlungsagenturen.
Das Kind muss sich mit der Abstammung von zwei Frauen auseinandersetzen. Einmal die biologische Mutter, mit der es während der Schwangerschaft bereits in Beziehung stand, und andererseits die genetische Mutter, bei der es aufwächst. Falls es sich um eine Eizellspende handelt, kommt noch eine dritte Variante durch die soziale Mutter- beziehungsweise Elternschaft hinzu. Was geschieht unter solchen Umständen mit einem behinderten Kind?
Der Fall Gammy hat 2014 für Aufsehen gesorgt: Eine thailändische Leihmutter trug für ein australisches Paar Zwillinge aus. Mit dem Geld wollte sie die Ausbildung ihrer beiden eigenen Kinder finanzieren. Während der Schwangerschaft wurde bei einem Kind Trisomie 21 festgestellt. Gammy wurde mit Down-Syndrom und einem Herzfehler geboren. Die Wunscheltern wollten nur das gesunde Kind und ließen Gammy zurück, so der Vorwurf von Leihmutter Pattaramon Chanbua. Die Leihmutter machte den Fall übers Internet publik, weil sie kein Geld für die Herzoperation hatte. Aufgrund der Spenden konnte der Junge operiert werden und lebt seitdem bei seiner Mutter in Bangkok.
„Ein wichtiger Aspekt ist die langfristige Gesundheit von Kindern und Leihmüttern“, so Martin Bujard und Petra Thorn aus dem Forschungsbereich „Familie und Fertilität“, des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. In ihrem Artikel zu Leihmutterschaft und Eizellspende stellen sie fest, dass bisher bei Kindern von Leihmüttern keine signifikanten Unterschiede bezüglich der psychischen Gesundheit erhoben wurden. Allerdings ist die Datenlage hierzu bei den Leihmüttern dünn, insbesondere in Entwicklungsländern.
Für die Freigabe von Leihmutterschaft und Eizellspende spricht, dass die Fortpflanzungsfreiheit ein hohes Gut ist. Eine geregelte Freigabe würde der Kommerzialisierung in Ländern, in denen die Gefahr der sozialen Ausbeute von Frauen besonders hoch ist, entgegensteuern. Andererseits ist die Gefahr der finanziellen Ausbeute auch in Deutschland nicht auszuschließen. Gerade alleinerziehende Frauen, Migrantinnen oder Frauen aus sozialen Randgruppen wären gefährdet.
Medizinische, psychologische und ethische Aspekte betreffen alle Beteiligten nicht unerheblich. Auch für Juristen stellen Eizellspende und Leihmutterschaft eine Herausforderung dar.
Über viele Entwicklungen in der modernen Medizin bin ich sehr froh und sehe sie als einen großen Fortschritt an. Das betrifft auch Teile der Reproduktionsmedizin. Bei der Eizellspende werde ich nachdenklich, bei der Leihmutterschaft skeptisch. Dann frage ich mich, wo die Grenze zwischen Machbarkeit und Hybris liegt. Dürfen wir alles, was wir können? Persönlich muss jeder für sich selbst die Grenze ziehen, Gesetzgeber müssen eine gangbare Lösung für eine Mehrheit festlegen. Keine leichte Aufgabe, finde ich.
Artikel von Petra BrandtBildquelle: Free-Photos, Pixabay