An langärmligen Kleidungsstücken bewegt sich so mancher Keim quer durch das Krankenhaus. Mikrobiologen kennen den Sachverhalt schon seit Jahren. Erstmals reagiert ein Klinkbetreiber in Deutschland – und tauscht die komplette Berufsbekleidung aus.
Im Jahr 2011 erschütterte ein Artikel aus dem „American Journal of Infection Control“ die Fachwelt. Yonit Wiener-Well vom Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem fand heraus, dass von langärmligen weißen Kitteln erhebliche Infektionsgefahren ausgehen. Wie so oft geht es um Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Keime (MRSA). Forscher untersuchten die Kleidung von 60 Ärzte und 75 Pflegern. Auf knapp 65 Prozent aller Weißkittel hatten sich unterschiedliche Bakterienstämme häuslich eingerichtet. Besonders gefährdet waren neben Ärmeln und Taschen Bereiche der Körpermitte. Etwa 18 aller Befragten mussten gestehen, ihr Kleidungsstück seit fast einer Woche zu tragen. Der selbstverständliche Wechsel ist aber nur ein Teilaspekt. Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisierten lange Ärmel als Keimschleudern.
Asklepios greift diesen Aspekt mit einer radikalen Maßnahme auf. Hygienexperten schaffen an allen 100 medizinischen Einrichtungen des Klinikbetreibers klassische Kittel ab. Dafür haben sie eine spezielle Kurzarmbekleidung für Ärzte, den sogenannten Kasack, erworben. 30.000 Mitarbeiter, darunter über 4.000 Ärzte, erhalten eine neue Ausstattung. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – bei anderen medizinischen Diensten gehört Kurzarmbekleidung schon lange zum Standard. Jetzt geht es Ärzten an den Kittel. „Bestätigt fühlen wir uns in diesem Vorhaben auch durch eine repräsentative Studie, die wir im September zum Tag der Patientensicherheit in Auftrag gegeben hatten“, so Kai Hankeln, Konzerngeschäftsführer bei der Asklepios Kliniken GmbH. „Das Ergebnis: 65 Prozent der Befragten fürchten sich vor Ansteckung mit einem multiresistenten Keim bei einem Aufenthalt im Krankenhaus.“ Aus gutem Grund: Neben dem Händewaschen ist die Desinfizierung der Hände und der Unterarme jetzt möglich.
Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Hankeln spricht von einem „beachtlichen kommunikativen Aufwand“. Jüngere Ärzte waren sofort einverstanden. „Bei älteren Chefärzten ist das schon eine gewisse Hürde, die sie überspringen müssen.“ Sie spekulieren sogar, ganz in weiß gekleidete Kollegen führten zur schnelleren Genesung von Patienten. Hierarchien wird es aber weiterhin geben. Ärzten bleibt der Kasack mit Stehkragen und Knopfleiste. Schwestern und Pfleger sind am grauen abgesetzten V-Ausschnitt mit grünen Streifen am Revers erkennbar. Personen in Ausbildung tragen eine graue Hose, und Hilfskräfte sind komplett grau eingekleidet. Ein roter Faden bleibt: Wer sich Patienten nähert, trägt ärmellose Kleidung. Weiße Kittel sind allenfalls noch im Büro erwünscht.