Die Geburt der ersten gentechnisch veränderten Babys in China sorgte für eine heftige Debatte. Eine Studie zeigt jetzt: Die Mutation, die in das Erbgut der Kinder eingeschleust wurde, könnte ihre Lebenserwartung deutlich verringern.
Letztes Jahr verkündeten der chinesische Biophysiker He Jiankui die Geburt der ersten gentechnisch veränderten Babys, die Zwillinge Nana und Lulu. Zunächst gab es nur Jiankuis Aussagen, mittlerweile wurde die Existenz der „CRISPR-Babys“ von der chinesischen Regierung bestätigt. Die Mutation, die in das Erbgut der Kinder eingeschleust wurde, kann eventuell zu einer verringerten Lebenserwartung führen.
Dies ergab nun eine Studie der University of California in Berkeley. Während der künstlichen Befruchtung wurde mittels CRISPR/Cas-System eine Mutation auf dem CCR5-Gen in die Keimbahn eingeschleust, die zu einem Funktionsverlust des CCR5-Rezeptors führt und somit eine Immunität gegenüber dem HI-Virus (HIV) vermitteln soll.
Bei dem CCR5-Gen handelt sich um einen Chemokinrezeptor, der sich vor allem in Makrophagen, T-Helfer-Zellen, zytotoxischen T-Zellen und NKT-Zellen befindet und somit Teil der Immunantwort ist. Er wird aber auch von HI-Viren genutzt, um T-Helfer-Zellen zu infizieren. Durch einen Funktionsverlust des Rezeptors können HI-Viren nicht mehr in die Zellen eindringen. Aufgrund dieser Mutation weisen homozygote Träger schließlich eine weitgehend natürliche Resistenz gegenüber HIV auf.
Etwa ein Prozent der Europäer trägt natürlicherweise eine Mutation namens Δ32 auf beiden CCR5-Allelen, bei der es zu einer Deletion von 32 Basenpaaren und somit zu Veränderungen des Rezeptors kommt. Diese Mutation hat jedoch, wie bereits seit längerem bekannt ist, nicht nur Auswirkungen auf Infektionen mit HIV. Auch macht sie den Träger anfälliger gegenüber anderen Krankheitserregern wie Influenzaviren und dem West-Nil-Virus.
Die chinesischen Wissenschaftler, die das Erbgut der Babys veränderten, versuchten nach eigenen Angaben, die Mutation Δ32 nachzubilden. Allerdings gibt es bisher keine Veröffentlichung der experimentellen Daten in der wissenschaftlichen Literatur.
Die US-Studie hat untersucht, welchen Effekt zwei veränderte Kopien des CCR5-Gens auf die Lebenserwartung der Träger haben. Hierzu analysierten zwei Biologen die Gendaten von rund 409.700 Briten, die in der UK Biodatenbank erfasst waren. Anschließend stellten sie fest, dass Personen mit zwei veränderten Kopien des CCR5-Gens eine deutlich geringere Lebenserwartung aufwiesen als Personen mit nur einem oder keinem mutierten Allel. So war bei Betroffenen im Alter zwischen 41 und 78 Jahren die Todesrate signifikant höher als bei Personen aus der Kontrollgruppe. Die Chance, ihren 76. Geburtstag zu erleben war für die Personen mit den verändertem Gen um rund 20 Prozent geringer.
Warum genau die Lebenserwartung aufgrund der CCR5-Mutation so signifikant reduziert ist, können die Wissenschaftler bisher nicht erklären. Eine Vermutung ist, dass die erhöhte Anfälligkeit gegenüber anderen häufiger auftretenden Erkrankungen eine Rolle spielen könnte. Unklar ist auch, ob die Babys, deren Mutation lediglich der natürlichen ähnlich ist, ebenfalls eine geringere Lebenserwartung haben und ob wirklich beide Kinder eine Mutation auf beiden Allelen tragen. Dennoch warnen die Studienautoren, dass die CRISPR/Cas-Technik bisher noch nicht ausreichend erforscht ist, um sie für Eingriffe in die menschliche Keimbahn einzusetzen.
Bildquelle: Ann Marie Brasco, flickr
Studien: © Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen / Nature medicine / docc.hk/9rfa6s // © Jun Ni et al. / Open Med / docc.hk/setpz8