Zum ersten Mal seit 41 Jahren hat es ein niedergelassener Arzt an die Spitze der Bundesärztekammer (BÄK) geschafft. Auf dem 122. Deutschen Ärztetag in Münster wurde die aufgestaute Unzufriedenheit der letzten Jahre deutlich. Bei der Diskussion zur Satzung der BÄK flogen kurzzeitig die Fetzen.
Wirklich emotional wurde es beim Deutschen Ärztetag letzte Woche nur bei der Frage, wie Ärztetag und BÄK in Zukunft arbeiten sollen. Transparenter und demokratischer, wünschten sich viele Delegierte das Ärzteparlament. Ein Abgeordneter kritisierte: „Wir überweisen Anträge an den Vorstand und dann passiert da gar nichts mehr.“ Ein anderer bezeichnete den Ärztetag sogar als "feudalistisch".
Die Reformvorschläge des alten Vorstandes wurden dann auch samt und sonders als zu kleinteilig verworfen. Stattdessen wurde der frisch gewählte Vorstand beauftragt, bis 2021 eine neue Verfahrensordnung zu entwickeln und die Arbeitsweise des Deutschen Ärztetages neu auszurichten.
Dass die Zeichen auf „Umbruch“ standen, zeigte sich auch bei der Wahl des Präsidenten der BÄK. Nach über vier Jahrzehnten kommt mit Dr. Klaus Reinhardt erstmals wieder ein Praxisarzt ans Ruder. Dementsprechend groß war die Freude im Lager der niedergelassenen Ärzte. Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes, sprach von einem „historischen Moment und einer großen Chance für einen Neuanfang der Bundesärztekammer“.
Im dritten Wahlgang setzte sich Reinhardt knapp mit 124 zu 121 Stimmen gegen die ehemalige Klinikärztin Dr. Martina Wenker, die Wunschkandidatin des Marburger Bundes, durch. Als Vizepräsidentinnen wurden Dr. Heidrun Gitter und Dr. Ellen Lundershausen gewählt. Sie waren explizit als Team gemeinsam mit Reinhardt angetreten – ein Novum in der Geschichte des Deutschen Ärztetages.
Die Kombination aus einem niedergelassenen Hausarzt, einer niedergelassenen Fachärztin und einer Klinikärztin, die allesamt noch in der Patientenversorgung tätig sind, fand dann auch bei einer großen Mehrheit Zustimmung. Das neue Führungstrio will nach eigenen Angaben weg von der „One-man-show“ und hin zu einem möglichst breiten Konsens innerhalb der Ärzteschaft.
Reinhardt, Gitter und Lundershausen wollen die Bundesärztekammer aber auch proaktiver machen: „Wenn wir keine eigenen Lösungsvorschläge entwickeln, müssen wir uns nicht wundern, wenn es andere machen“, erklärte Dr. Heidrun Gitter vor der Wahl und Dr. Klaus Reinhardt ergänzte: „Dazu müssen die ärztlichen Organisationen, d.h. ausdrücklich auch Verbände und Fachgesellschaften, durch die Bundesärztekammer moderiert in einen internen Reflexionsprozess eintreten und aus diesem heraus der Politik politisch praktikable Lösungen anbieten. Das politische „Pfund“, mit dem wir die Politik bewegen müssen, ist die gute ärztliche Versorgung und der emphatische Umgang mit den Patientinnen und Patienten, die sich uns anvertrauen.“
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Aufgaben der Bundesärztekammer? Wir freuen uns über Ihren Kommentar.
Der Verband der niedergelassenen Ärzte (NAV-Virchow-Bund) kämpft dafür, die Budgetierung zu beenden, die ärztliche Selbstverwaltung zu stärken und die Freiberuflichkeit zu erhalten. Erfahren Sie hier, was berufspolitische Arbeit für Praxis-Ärzte verändert und warum es sich für Sie lohnt.
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Foto: Jürgen Gebhardt