Focus-Experte Marcel Becker weiß angeblich, was die gute Apotheke auszeichnet. Hat sein Artikel überraschende Neuigkeiten auf Lager? Nein. Bewirbt er schamlos seine eigene Fima? Lest selbst.
Bei Focus Online findet sich seit einigen Tagen ein Artikel, nach dessen Lektüre angeblich auch der Laie anhand von nur fünf Merkmalen erkennen kann, ob der Apotheker, der ihn berät, gut ist oder nicht. Autor des Artikels ist Marcel Becker, seines Zeichens Geschäftsführer der Apovid GmbH, studierter Pharmazeut, Mit-Inhaber der Münchner Dr. Beckers Central Apotheke sowie Gründer und Gesellschafter der VitaPunkt GmbH – und Focus-Experte.
Merkmal 1 der guten Apotheke ist für ihn der aktuelle Wissensstand zu saisonalen gesundheitlichen Problemen, Grippeimpfungen und Cannabis-Rezepturen. Das Problem, das ich hier sehe: Woher soll denn der Laie wissen, ob das, was der Apotheker ihm da erzählt, stimmt? Hat sich denn der selbst ernannte Apothekentester die aktuellen Leitlinien heruntergeladen? Und woher kennt er denn das Einsatzspektrum von Cannabinoiden aus dem Effeff? Naja … da die eigene Apotheke des Autors umfangreiche Cannabis-Beratung anbietet, ist es wohl nur natürlich, dass er das dann als Kriterium hervorheben möchte.
Merkmal 2 ist das umfangreiche Angebot von Gesundheitsdienstleistungen. So soll eine gute Apotheke daran erkannt werden, dass sie Kompressionsstrümpfe anmisst, Podologen und Hebammen empfehlen kann und Bludruck-, Blutzucker- und Vitamin-D3-Messungen anbietet. Den ersten Teil kann ich noch nachvollziehen, wobei das sicher von 90 % der örtlichen Apotheken angeboten wird. Ich kenne tatsächlich keine einzige, die das nicht macht und bin seit 20 Jahren dabei.
Aber Vitamin-D3-Messungen? Dienen die nicht eher dem Verkauf von entsprechenden Nahrungsergänzungsprodukten als der Unterscheidung zwischen gut und schlecht? Wenn man also den Hype um Vitamin D aus vielleicht nachvollziehbaren guten Gründen nicht mitmacht, gehört man zu den Schlechten?
Das sehe ich anders – genau wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Stiftung Warentest. Auch im LeiKa der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die der Autor sogar selbst zitiert, kommt diese Messung nicht vor. Möglicherweise hat es auch einen anderen Grund. Beckers Firma Apovid hat sich zum Ziel gesetzt, Apothekern zu helfen, ihren OTC-Umsatz zu steigern.
Merkmal 3 sei, so der Beitrag weiter, ein gutes Ergänzungsangebot an Kosmetika und Convenience-Artikeln. Nun ja … ich habe schon in einer sehr kleinen Apotheke eine sehr gute Beratung erhalten, die gar nicht den Platz für ein Riesensortiment an auch nur entfernt apothekenüblicher Ware hatte.
Umgekehrt hatte ich auch eher durchschnittliche Beratungen in großen Apotheken. Das ist für mich kein Pro- oder Contra-Kriterium. Natürlich ist die Apotheke des Autors groß.
Merkmal 4 einer guten Apotheke ist angeblich die Optimierung der Medikamentengabe mittels MediGuard. Doch was ist MediGuard? Ich gebe zu, ich musste es googeln (oh mein Gott … ich bin eine schlechte PTA). Und siehe da, nach kurzer Suche fand ich das hier:
„MediGuard ist ein Service, der Patienten dabei hilft, die Sicherheit Ihrer Medikamente zu überprüfen und eine aktivere Rolle in ihrer Behandlung einzunehmen. Nach einer Registrierung genießen Ihre User folgende Vorteile: Einen automatischen Arzneimittel Sicherheits-Check, der Ihre Arzneimittelliste nach aktuellen Nebenwirkungen und Arzneimittelwechselwirkungen durchsucht. Klinisch geprüfte Sicherheitsalarme und Rückrufe für Ihre Medikamente.“
Aha. Eine App also, in die der User seine Daten selbst einträgt. Laut Focus-Autor hieß es aber:
„Dieses Merkmal ist insbesondere interessant für ältere Patienten, die sich zu Hause selbst versorgen oder von Angehörigen versorgt werden.“
Ist das der typische App-Nutzer? Weiterhin schreibt Herr Becker:
„Der Apotheker listet hierzu gemeinsam mit dem Patienten und in Absprache mit den behandelnden Ärzten unter anderem Ernährungsgewohnheiten und Nahrungsergänzungsmittel auf und kann so die Medikamenteneinnahme optimieren und individuell auf den Patienten abstimmen. Das Ergebnis ist eine medikamentös 'maßgeschneiderte' Pillenbox, die die Einnahme der unterschiedlichen Medikamente über eine Woche zu den verschiedenen Einnahmezeiten vorsortiert bevorratet.“
Ich glaube da hat er irgendwas verwechselt. Das Teil heißt Medi7, nicht MediGuard. Außerdem ist es eine Tablettenbox und keine App. Herr Becker … wann haben Sie eigentlich zuletzt echte Patienten beraten?
Merkmal 5 bezieht sich dann nur noch auf Online-Apotheken und das Gütesiegel, das sie tragen sollten, wenn sie seriös arbeiten.
Mein Fazit: Das ist vor allem Werbung in eigener Sache und ansonsten nicht so dolle recherchiert. Dafür, dass Herr Becker bei 3 von 5 Punkten eigentlich nur für sich selbst wirbt, hätte er eigentlich Geld für diesen Artikel bezahlen müssen. Als Anzeigenkunde. Ganz schön clever.
Bildquelle: Abstrakt Xxcellence Studios, Pexels