Nur jeder fünfte Arzt bekommt bewusst mit, dass Patienten ihn im Internet bewerten, zeigt eine britische Umfrage. Hier wird Potenzial nicht genutzt, kritisieren Forscher. Fragt sich: Welches Potenzial? Und wer soll es nutzen?
Einer britischen Umfrage zufolge wissen rund 20 Prozent der Ärzte, dass Patienten ein Feedback über sie im Internet gepostet haben. Vor allem Hausärzte stehen Onlinebewertungen negativ gegenüber, ergab die Befragung. Dieser Umstand wird von den Autoren kritisiert. Ihr Argument: Sich mit dieser Form von Bewertungen auseinanderzusetzen, berge großes Potenzial, um die Versorgung zu optimieren. Sie zu ignorieren, sei eine verpasste Chance.
Eine Forschergruppe der Warwick Medical School und der University of Oxford wollte herausfinden, wie Mitarbeiter des Gesundheitswesens zu Onlinebewertungen von Patienten stehen. Damit meinen die Wissenschaftler sowohl Bewertungsportale als auch Social-Media-Beiträge. Im Zuge ihrer vom britischen Gesundheitsministerium unterstützten Arbeit befragten sie 1.001 Ärzte sowie 749 Pflegekräfte. Die wichtigsten Ergebnisse:
27 Prozent der Ärzte und 21 Prozent der Pflegekräfte sind sich darüber im Klaren, dass es im Internet Patientenfeedback zu Versorgungseinheiten gibt, in die sie involviert waren.
20 Prozent der Ärzte und 11 Prozent der Pflegekräfte sind sich dessen bewusst, dass Patienten Onlinebewertungen zu ihrer Person im Speziellen verfasst haben.
Dass „nur 20 Prozent“ über Feedback zur eigenen Person Bescheid wüssten, sei aus Sicht der Forscher ein Mangel an Bewusstsein seitens der Ärzte. Es handle sich um wertvolle Informationen, die verloren gehen. Deshalb sei es notwendig, dass Feedback von Patienten dem Personal vor Ort kommuniziert wird. „Denn es ist sinnlos, wenn Patienten etwas mitteilen, das nicht ankommt“, so Erstautorin Helen Atherton in der Pressemitteilung der University of Warwick.
In der Tat wird diese Art von Feedback bisher kaum als Informationsquelle wahrgenommen, geschweige denn effizient genutzt. Bei der Suche nach Lösungen, unser Gesundheitssystem zu optimieren, wäre es wichtig, auch Onlinebewertungen zu berücksichtigen. Aber handelt es sich hier um Informationen, die der einzelne Arzt über sich wissen muss?
Zwar betonen die Autoren, dass Patienten in der Regel deutlich positiver bewerten, als Ärzte es erwarten würden. Trotzdem: Ob man sich als Mediziner mit einem solchen Feedback, sei es positiv oder negativ, auseinandersetzt, ist nicht nur eine Frage der persönlichen Bereitschaft, sondern auch eine Frage der zeitlichen Kapazitäten. Beides kann gegeben sein, sollte es aber nicht sein müssen. Das gilt sowohl für Ärzte als auch für sämtliches Pflegepersonal.
Wenn die Vorstellung, als Einzelperson im Internet wie eine Pizzeria mit Punkten oder Sternen bewertet zu werden, auch nicht gerade angenehm ist – das System hat sich etabliert. Ob man als Arzt im Detail darüber Bescheid wissen will, sollte aber jedem selbst überlassen sein. Dennoch wäre es sinnvoll, andere Wege zu finden, um Onlinebewertungsn als Informationsquelle zu nutzen.
Vermutlich wären Rückmeldungen seitens der Patienten besser bei einer unabhängigen Arbeitsgruppe aufgehoben, die für das Zusammentragen und Auswerten von Feedback zuständig ist. Auf diese Weise könnten konstruktive Beiträge herausgefiltert und unsachliche bewusst ignoriert werden. Wertvolle Erkenntnisse, die man aus den Bewertungen zieht, könnten so gesammelt in Form von Schulungen beziehungsweise Seminaren während des Medizinstudiums an (werdende) Ärzte vermittelt werden. Denn bestimmt nicht jede ins Netz gestellte Bewertung hat das Prädikat wertvoll verdient.
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