Die Bundesärztekammer hat einen neuen Präsidenten: Er heißt Klaus Reinhardt und ist niedergelassener Allgemeinmediziner. Nach acht Jahren löst er den Radiologen Frank Ulrich Montgomery ab. Was den Neuen vom Alten unterscheidet? In erster Linie zwei bedeutende Punkte.
Auf dem Ärztetag wählten die 250 Delegierten Klaus Reinhardt an die Spitze der Bundesärztekammer (BÄK). Mit nur drei Stimmen Vorsprung konnte der 59-Jährige seine größte Konkurrentin, die Pneumologin und Umweltmedizinerin Martina Wenker, hinter sich lassen.
Was am neuen Präsidenten besonders ist? Punkt eins: Im Gegensatz zu vergangenen Wahlen setzte sich diesmal das „Alltägliche“ durch, denn Reinhardt ist Hausarzt. Mit Frank Ulrich Montgomery saß ein Radiologe an der Spitze, seine Vorgänger Hoppe und Vilmar waren Chef- und Oberärzte.
Klaus Reinhardt nach der Wahl auf dem Ärztetag, Quelle: BÄK
Noch ein weiterer Punkt unterscheidet Reinhardt vom bisherigen Präsidenten: Trotz politischen Engagements steht er mitten im Berufsleben. Zwei bis drei Mal pro Woche behandelt der niedergelassene Allgemeinmediziner laut Tagesspiegel Patienten in seiner Praxis. Diese habe er 1993 von seinen Eltern übernommen. Nach wie vor führt er diese Praxis gemeinsam mit einem Partner. Zusätzlich ist er seit 2005 Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und seit 2011 Vorsitzender des Hartmannbundes. Im Vorstand der BÄK ist er seit 2015.
Dass Reinhardt nicht aus der Klinik kommt, sondern genau weiß, was es bedeutet, in einer Praxis zu arbeiten, sorgt für frischen Wind in der Bundesärztekammer. „Die Blickwinkel auf das Gesundheitswesen“ seien sehr verschieden. Wie man die Situation einschätzt, hänge davon ab, „ob man es als angestellter Arzt oder als freiberuflicher Arzt betrachtet“, erklärte er vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Westfalenblatt.
Eine Frage, die im Zusammenhang mit der Ärztekammer immer spannend ist: Wie steht der Präsident zum Gesundheitsminister? Zwar lobt Reinhardt das Engangement und die Expertise von Jens Spahn, aber wenn es nach dem Mediziner geht, hat er es mit seinen Gesetzesvorhaben zu eilig. „Formal halte ich es für problematisch, wenn ein Minister in ein Gesetz schreibt, dass sein Ministerium 51 Prozent an der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte übernehmen will.“
Vom Terminservice- und Versorgungsgesetz ist Reinhardt auch nicht gerade begeistert. Vor allem wegen der „ohnehin schon hohen Behandlungsdichte in den Praxen“ bezeichnete er das Gesetz nicht nur als schwierig, er verwendete auch den Begriff Staatsmedizin. Aus seiner Sicht ist das TSVG ein detailtiefer Eingriff in den Versorgungsalltag: „Ich frage mich, was ein ‚dringlicher Fall‘ sein soll? Wer schätzt das ein und legt das fest?“, kritisierte er vor der Wahl.
Während des Wahlkampfs machte Reinhardt bereits auf Punkte aufmerksam, die ihm wichtig sind. Folgende Baustellen im Gesundheitswesen stellt der Präsident in den Fokus:
Was die Zukunft der medizinischen Versorgung betrifft, ist klar: Ohne Digitalisierung wird es nicht gehen. Auch Reinhardt sieht in diesem Bereich ungenutztes Potenzial. Und doch blitzt in seinen Aussagen auch ein wenig Angst vor möglichem Kontrollverlust durch: „Digitalisierung kann bei Diagnostik und Therapie helfen. Am Ende dürfen aber keine Algorithmen über Therapien entscheiden, sondern nur Ärztinnen und Ärzte. Und deshalb dürfen wir keinen Zweifel daran lassen, dass wir als Ärzteschaft diese Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten wollen“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der BÄK.
„Ich wünsche ihm die Ruhe und Gelassenheit, die mir manchmal gefehlt hat“, sagte Montgomery, der vor wenigen Tagen von der Ärztezeitung gefragt wurde, was er dem nächsten Präsidenten mitgeben möchte. Als Mammutaufgabe sieht er die Digitalisierung ganz oben auf der Liste. „Da wird viel Arbeit auf meinen Nachfolger zukommen.“
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