Atemwegserkrankungen gehören für Hausärzte zum Tagesgeschäft. Trotzdem ist es oft knifflig, die richtige Diagnose zu stellen. Bronchitis oder Pneumonie? Muss man bei grünem Sputum Antibiotika verschreiben? Internist Dr. Martin Kolditz liefert Antworten.
Dr. Martin Kolditz ist Facharzt für Innere Medizin und arbeitet im Bereich Pneumologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Er wird von unserem Experten Veit Kappen, Internist, interviewt.
Veit Kappen: Herr Dr. Kolditz, Atemwegsinfektionen sind in der hausärztlichen Praxis eine häufige Entität. Wann muss ich mit Antibiotika einsteigen? Und ist das grüne Sputum ein Parameter für die Antibiotikagabe?
Dr. Martin Kolditz: Ja, da sprechen Sie ein ganz wichtiges Thema an. Was im Praxisalltag immer wieder zu Unsicherheiten führt. In der Klinik haben wir bereits eine ganze Menge Erfahrung mit Antibiotic Stewardship gemacht und die bräuchten wir auch allmählich in der Praxis viel mehr. Aber auch dort hat sich ja schon einiges getan, was den geringeren Verbrauch von Antibiotika bei den unteren Atemwegsinfekten, damit meine ich jetzt die akute Bronchitis, angeht.
Prinzipiell gilt die Aussage, dass eine akute Bronchitis ohne Hinweise für eine Pneumonie keine Antibiotikaindikation darstellt und das ist unabhängig von der Farbe des Auswurfs, zumindest für alle Patienten, die keine COPD haben, da ist die Sache noch ein bisschen schwieriger, und Patienten die keine schwere Immunsuppression haben. Wir haben mehrere prospektiv-randomisierte Studien, die ganz klar zeigen: Wenn ich Patienten unabhängig davon, ob der Schleim gelb ist oder grün ist oder nicht grün ist, ein Antibiotikum gebe, dann bin ich nur selten tatsächlich in der Lage, die Symptome etwas zu verkürzen oder weniger neue Symptome auftreten zu lassen. Aber ich muss dafür etwa 20 bis 30 Patienten behandeln. Während ich, um eine Nebenwirkung zu generieren, mit diesem Antibiotikum wesentlich weniger Patienten behandeln muss, nämlich etwa fünf bis zehn Patienten, um einmal Durchfall oder Hautausschlag zu generieren, sodass die Antibiotikatherapie ganz klar unter Kosten-Nutzen-Aspekten oder Nutzen-Risiko-Aspekten nicht indiziert ist.
Das gilt auch für die älteren Patienten und auch für die Patienten mit purulentem Auswurf. Die Purulenz an sich ist ja kein Marker für den bakteriellen Infekt, sondern letztlich nur für die Inflammation, die vorliegt. Und selbst wenn wir Bakterien nachweisen, müssen wir diese nicht unbedingt bei banalen bronchitischen Infekten ohne Lungenparenchyminfektion mit Antibiotika erradizieren, weil auch dort die Nebenwirkungsrate höher ist als die Wirkungsrate.
Veit Kappen: Wann muss ich klinisch mit dem Vorliegen einer Pneumonie rechnen?
Dr. Martin Kolditz: Die klinische Abgrenzung zwischen der akuten Bronchitis und der Pneumonie ist tatsächlich nicht immer ganz einfach. Uns fehlt leider dort noch ein Marker wie das Troponin oder das D-Dimer, was uns relativ einfach sagt, ob eine Pneumonie vorliegt oder nicht. Derzeit helfen uns am ehesten Daten aus einer großen europäischen Studie mit etwa 3.000 Patienten, die zumindest etwas die Vortestwahrscheinlichkeit, wer an einer Pneumonie oder doch nur an einer banalen Bronchitis leidet, modifizieren kann.
Wir gehen in etwa davon aus, dass 5 Prozent unserer Atemwegsinfekte beim Hausarzt eine Pneumonie sind. Das gibt es, ist aber nicht häufig. Kriterien, die damit assoziiert sind, dass eine Pneumonie vorliegen könnte, ist das Fehlen von Schnupfen, das wäre etwas Klassisches für eine Virusinfektion. Zum anderen das Vorliegen von Luftnot. Und pathologische Parameter: Sie müssen die Atemfrequenz messen, die Herzfrequenz messen, das Fieber nachweisen. Außerdem, ob ein fokaler Auskultationsbefund vorliegt, also ob es Rasselgeräusche in der Lunge gibt. Und, wenn ich ihn zur Verfügung habe, ein CRP-Schnelltest.
Wenn sie beim Patienten keines dieser Kriterien erkennen, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Pneumonie bei unter 1 Prozent. Dann können Sie sicher auf Röntgenbild und Antibiotika verzichten. Bei drei Kriterien sind es hingegen schon etwa 20 Prozent. Da würde ich ganz klar empfehlen einen weiteren Test durchzuführen, entweder den Biomarker oder ein Röntgenbild, um zu verifizieren, ob ein Antibiotikum notwendig ist. Das ist in der Praxis nicht ganz einfach.
Deswegen wäre mein Tipp, so wie ich es auch in der Ambulanz mache, dass sie dann vorbeugend Antibiotika verschreiben können. Das heißt, Sie stellen dem Patienten ein Antibiotikarezept aus, schicken ihn zum Röntgen oder ins Labor und lassen ihn abends über die Schwester anrufen. Das erhöht die Patientenzufriedenheit und vermeidet unnötige Antibiotika.
Veit Kappen: Wenn nun der hochgradige Verdacht einer Pneumonie besteht bzw. wenn diese gesichert ist, welches Antibiotikum nutze ich?
Dr. Martin Kolditz: Wenn Sie den klinischen Verdacht auf eine Pneumonie haben und möglichst radiologisch oder wenigstens mittels Biomarker wahrscheinlich gemacht haben, dann steht tatsächlich die Indikation zur Antibiotikatherapie. Und da sagt die Leitlinie relativ klar, auch evidenzbasiert, dass wir bei jüngeren Patienten die keine Komorbiditäten haben und eine Pneumonie haben, normalerweise zum Amoxicillin greifen können.
Ich persönlich finde Doxycyclin eine sehr gute Alternative, um auch Mykoplasmen, die sie tatsächlich bei Patienten bis zum 40. Lebensjahr gar nicht so selten finden, besser abzudecken. Und für diese Patienten kommen auch Makrolide infrage. Bei älteren Patienten mit Komorbiditäten, das heißt mit Herz- oder Lungenerkrankungen oder neurologischen Erkrankungen, die aber dennoch so leicht an der Pneumonie erkrankt sind, dass sie nicht ins Krankenhaus eingewiesen werden, müssen Sie ein erweitertes Spektrum beachten mit Staphylokokken und gramnegativen Bakterien. Und würden zu Amoxicillin noch einen Betalaktamaseinhibitor geben. Aus Dosisgründen ist dort eigentlich das Amoxicillin/Clavulansäure-Kombinationspräparat das Beste, weil sie dort eine sehr vernünftige, aber auch gut wirksame Dosis bekommen.
Zwei Dinge dazu würde ich gerne noch ergänzen. Es gibt, was die oralen Fluorchinolone betrifft, derzeit eine ganze Reihe an Unsicherheiten, auch bezüglich der Rote-Hand-Briefe. Dazu ist zunächst zu sagen, Ciprofloxacin ist nicht wirksam gegen Pneumokokken. Also ist gar kein Atemwegsantibiotikum, mit der Ausnahme bei gesichertem Pseudomonas-Infektionen. Levofloxacin und Moxifloxacin können Sie als Zweitlinien-Antibiotika in diesen Fällen, wo sie eine Pneumonie gesichert haben und den Nachweis haben, dass Beta-Laktame nicht vertragen werden, tatsächlich einsetzen. Sie müssen dann aber die Patienten über die Nebenwirkungen, die ja gar nicht so ohne sind, aufklären und das auch entsprechend dokumentieren.
Wichtig ist keine First-Line-Therapie mit pneumokokken-wirksamen Fluorchinolonen, sondern nur wenn Beta-Laktame nicht funktionieren. Eine zweite sehr wichtige Botschaft aus meiner Sicht ist noch, dass es ein Problem gibt mit der oralen Bioverfügbarkeit und deswegen der Dosis, die Sie in den Patienten hineinbekommen für die oralen Cephalosporine, die sind angesichts ihres Spektrums hervorragend. Aber bei Cepharoxin, zweimal 500 Milligramm oral gegeben mit 40-prozentiger Bioverfügbarkeit, kommen 400 Milligramm im Patienten an. Da lachen die Pneumokokken und wir geben in der Klinik etwa viereinhalb Gramm intravenös. Da lachen die Pneumokokken dann nicht mehr. Vor diesem Hintergrund funktionieren auch orale Cephalosporine tatsächlich nicht.
Veit Kappen: Welche Besonderheiten muss ich bei einem 50-jährigen Raucher mit Vorliegen der COPD und Atemwegsinfektion beachten?
Dr. Martin Kolditz: Dort ist die Datenlage wesentlich unsicherer, wann wir ein Antibiotikum brauchen oder wann nicht. Wenn wir eine gesicherte COPD haben, ist das Risiko dieser Patienten, wenn es zu einer Exazerbation kommt, primär nicht die Sepsis die wir mit Antibiotika behandeln müssen, sondern primär die respiratorische oder ventilatorische Insuffizienz, die droht. Deswegen ist Standardtherapie bei diesen Patienten zunächst die Inhalativa zu erhöhen. Also kurze Zeit wirksame Betamimetika zu geben und dazu in aller Regel ein orales Steroidpräparat.
Das ist die Basistherapie und die muss nach Leitlinie auch vor der Antibiotikatherapie, wenn sie denn über eine solche nachdenken, zunächst einmal sichergestellt sein. Wann Sie bei diesen Patienten Antibiotika brauchen und ob Sie bei diesen Patienten in der Ambulanz überhaupt Antibiotika brauchen, ist derzeit noch Gegenstand aktueller Studien. Da sind wir auch sehr gespannt, da wir aktuell eine große deutsche Studie in der Auswertung haben. Derzeit sagt die Leitlinie noch, dass sie bei schwerer COPD, also einer FIV1 kleiner als 50 Prozent und purulentem Sputum ambulant dann tatsächlich auch zum Antibiotikum greifen sollten. Dann wiederum Amoxicillin/Clavulansäure-Kuzzeittherapie über maximal fünf Tage. Aber ob sich diese Empfehlung nicht nochmal ändert nach aktuellen Daten, weiß ich nicht. Leichte COPD müssen sie in aller Regel zunächst antiinflammatorisch und nicht antibiotisch behandeln.
Veit Kappen: Und die Sauerstoffsättigung?
Dr. Martin Kolditz: Naja, die Sauerstoffsättigung ist vermutlich zu wenig sensitiv, um tatsächlich das Vorliegen einer Pneumonie zu zeigen, aber da sprechen Sie auch etwas ganz Wichtiges an. Wenn sie an eine Pneumonie denken, dann ist mittlerweile auch ganz klar empfohlen die Sauerstoffsättigung zusätzlich zu den Vitalparametern zu messen, um das Risiko, ob jemand eine schwere Pneumonie hat oder ins Krankenhaus muss, besser abschätzen zu können. Da gilt: Bei Sättigung kleiner 90 Prozent, oder wenn sie sicher sein wollen, kleiner 92 Prozent, eher ab ins Krankenhaus.
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