Wo bleibt mein Geld? Das fragen sich viele Ärzte nach dem Abschluss von Behandlungen. Rechnungen werden erschreckend oft nicht bezahlt, erzählen uns Praxisinhaber. Liegt das nur an den Patienten oder verhalten sich manche Ärzte ungeschickt?
„Langsam bin ich wirklich sprachlos und genervt, und frage mich, was in immer mehr Patienten eigentlich vorgeht“, schrieb ein Arzt als Antwort auf unseren Aufruf zum Thema Abrechnung. „Ständig werden Rechnungen ohne ersichtlichen Grund einfach nicht bezahlt.“ Das betreffe alle Schichten und Altersgruppen, Unterschiede sehe er nicht. „Sicher kann man mal vergessen, Rechnungen zu bezahlen, aus welchen Gründen auch immer“, ergänzt er. „Aber die Häufigkeit nimmt stetig zu.“ Er fragt sich: „Liegt es daran, dass der Patient denkt, er habe eine Flatrate bei Ärzten in Deutschland?“ Der Ärger ist groß und nicht immer lohnt es sich, schweres Geschütz auszufahren.
„Im Normalfall zeigen sich die Patienten nach der ersten Mahnung einsichtig, ich würde etwa 30 bis 50 % schätzen“, weiß der Arzt aus Erfahrung. Oft führen alle Bemühungen nicht zum Ziel. Deshalb hat er sich entschlossen, nach fünf Mahnungen oder drei Monaten Zahlungsverzug ein Mahnverfahren zu initiieren. „Das mache ich immer mit einem weinenden Auge“, sagt der Arzt. „Denn aus einer vermeintlich kleinen Rechnung wird dann schnell eine große.“ Kosten und Nutzen müssen in einem realistischen Verhältnis stehen.
Ein Augenarzt ist sich der eigenen Hilflosigkeit durchaus bewusst: „Nach vier Wochen die erste Mahnung, nach weiteren zwei Wochen die zweite Mahnung, dann ein Telefonanruf. Danach ausbuchen und Markierung, dass kein Termin mehr vergeben wird, bevor Rechnung und Mahnkosten vollständig bezahlt sind.“ Weitere Behandlungen gebe es nur noch bei sofortiger Bezahlung. „Juristische Schritte haben mich über die Jahre mehr Geld gekostet als eingetrieben wurde“, gibt er zu bedenken.
Andere Kollegen haben deutlich weniger Geduld: „Wenn ein Patient nicht bezahlt, unterstelle ich ihm, dies auch in Zukunft nicht zu tun“, berichtet ein Internist. „Mit Ausnahme von Fällen, in denen ich gesetzlich gehalten bin, zu behandeln, schmeiße ich jeden Zahlungsunwilligen raus.“ Damit will er nicht nur den eigenen, wenig produktiven Stress minimieren, sondern Termine wirtschaftlich sinnvoller verwenden. Sein Fazit: „Privatpatienten sind häufig super anspruchsvoll, und ich verdiene mit den allermeisten Kassenpatienten mehr als mit Privatpatienten.“
„Ich hatte bisher keine Probleme, alle Patienten haben bezahlt“, schreibt ein Psychotherapeut. Einerseits sei die Abrechnung bei Psychotherapien sehr übersichtlich. Andererseits bestehe ein guter, meist persönlicher und intensiver Draht zu Patienten. Und nicht zuletzt habe man alle Kosten vorab eindeutig geklärt. Ärzten geht es anders, doch Hilfe naht.
In einem Blogbeitrag hat der NAV-Virchow-Bund deshalb einige Maßnahmen zusammengestellt (vom Autoren in Teilen ergänzt):
Völlig überraschend brachten Ärzte – selbst oft als Privatpatienten in Behandlung – einen ganz anderen Aspekt ins Gespräch. „Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Arztrechnungen, die ich bekomme, sind falsch und natürlich zu hoch“, so ein Allgemeinmediziner. Das richtig zu stellen, sei oft mit großem Aufwand verbunden. „Viele abrechnende Ärzte scheinen die GOÄ gar nicht oder nur oberflächlich zu kennen“, lautet sein Fazit. Das sieht eine Kollegin, sie ist chronisch krank, genauso. Sie bekommt regelmäßig fehlerhafte, natürlich überhöhte Rechnungen und fragt sich: „Sind wir Ärzte doch geldgierig?“
„Selbst die Rechnungen aus einem Unikrankenhaus stimmen oft nicht“, bestätigt ein Medizinphysiker. „Immer zu Ungunsten des Patienten natürlich.“ Außerdem seien zu Unrecht geforderte Beträge oft zu niedrig, um sich zu beschweren und Einsprüche zu formulieren. „Das liegt auch an dem komplizierten Abrechnungssystem mit Bürokratie pur“, ergänzt der Kollege.
Ein anderer Arzt bestätigt dies aus eigener Erfahrung: Bei ihm wurden Leistungen einer Zahnärztin der Universitätsklinik berechnet und dann eingetrieben. Angeblich habe er zugestimmt. „Als ich die um die Unterschrift bitte, handelt es sich plötzlich um einen bedauerlichen Irrtum“, berichtet der Kollege. Bleibt zu vermuten, dass Patienten fehlerfreie Rechnungen häufiger begleichen.
Es gibt jedoch Ausnahmen. „Ich habe keine Honorarausfälle“, berichtet ein Gynäkologe und äußert sich im Anschluss kritisch über das Selbstverständnis vieler seiner Kollegen. Allen mit negativen Erfahrungen rät der Arzt, „einmal zu überlegen, ob es möglicherweise daran liegt, dass Sie sich selbst als ‚Leistungserbringer‘ bezeichnen und sich damit beliebig in Allerweltsberufe einreihen“. Sein Vorschlag: „Versuchen Sie es doch einfach mal damit, sich selbst als Arzt zu sehen und dies auf Ihre Patienten wirken zu lassen.“ Sind Patienten für die Hilfe dankbar, werden sie ihre Rechnungen auch eher begleichen, lautet seine These.
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