Zucker soll das Risiko für Brustkrebs und dessen Metastasierung in der Lunge erhöhen. Grund hierfür könnte die vermehrte Bildung einer Fettsäure sein, die die Entzündungsreaktion im Körper steigert, so ein amerikanisches Forscherteam. Gilt nun: Hände weg vom Zucker?
Ausgangspunkt bildet die Arachidonsäure. Tierische Organismen können diese entweder selbst aus der essenziellen Omega-6-Fettsäure Linolsäure synthetisieren oder sie über die Nahrung aufnehmen. Sogenannte Cyclooxygenasen (COX) verstoffwechseln die Arachidonsäure zu verschiedenen Prostaglandinen und Thromboxanen. Zu nennen wäre hier beispielsweise Prostaglandin E2 (PGE2), welches unter anderem auch am Entzündungsgeschehen beteiligt ist. Aber auch Lipoxygenasen (LOX) können die Arachidonsäure zu einer Reihe von Produkten metabolisieren, die Entzündungen fördern und aufrechterhalten. Die LOX sind eine Familie zytosolischer Enzyme, deren Klassifikation nach der Position der Hydroperoxy-Gruppe (HOO-Gruppe) erfolgt. Bei Säugetieren unterscheidet man eine 5-Lipoxygenase (5-LOX), eine 12-Lipoxygenase (12-LOX) sowie eine 15-Lipoxygenase (15-LOX). Die LOX-Konzentration der verschiedenen Isoformen ist gewebeabhängig. Thrombozyten beispielsweise enthalten lediglich 12-LOX und können daher nur 12-Hydroperoxyeicosatetraensäure (12-HPETE) produzieren. Da in Leukozyten sowohl 12-LOX als auch 5-LOX vorkommen, können diese sowohl 5-HPETE als auch 12-HPETE bilden. HPETE sind instabil und werden unter anderem durch Peroxidasen in die jeweilige Hydroxyfettsäure (HETE) umgewandelt. Die häufigsten Isoformen der 12-LOX sind nach den Autoren der Blutplättchen-Typ (12-LOX-P), der Leukozyten-Typ (12-LOX-L) und der Epidermal-Typ (12-LOX-E). Letzterer wurde jedoch nur bei Mäusen gefunden.
Die Studie [Paywall] der Gruppe um Assistenzprofessor Peiying Yang erschien Anfang Januar in der Fachzeitschrift Cancer Research. Für ihre Untersuchungen verwendeten sie Mäuse mit einem genetisch erhöhten Brustkrebsrisiko. Diese wurden im Alter von fünf Wochen auf vier Gruppen randomisiert und mit unterschiedlichen Mengen Saccharose (0 g/kg, 125 g/kg, 250 g/kg, 500 g/kg) gefüttert. Interessanterweise beeinflusste die Menge an verzehrtem Zucker nicht das Köpergewicht der kleinen Nager. In einem Alter von sechs Monaten litten 30 Prozent der Tiere aus der Kontrollgruppe an messbaren Tumoren. Wurde der Zuckerkonsum in der Nahrung erhöht, führte dies nicht automatisch zu höheren Erkrankungszahlen. Denn während bei den Mäusen aus der 125 g/kg Saccharose-Gruppe bzw. 250 g/kg Saccharose-Gruppe 50 Prozent bzw. 58 Prozent erkrankt waren, konnten die Wissenschaftler bei den Tieren, die am meisten Saccharose pro Kilogramm erhalten hatten, „nur“ bei 50 Prozent messbare Tumore nachweisen. Weitere Tests ergaben, dass die Nager aus der 250 g/kg Saccharose-Gruppe im Vergleich zu den Kontrollmäusen nicht nur häufiger an Brustkrebs litten, sondern dass das gefundene Tumorgewebe auch durchschnittlich um 50 mg schwerer war. Die Autoren werteten dies als ein Zeichen dafür, dass der Zuckerkonsum sowohl die Entstehung der Krebserkrankung fördert, als auch die Proliferation der Brustkrebszellen steigert. Des Weiteren stellten die Wissenschaftler fest, dass im Vergleich zur Kontrollgruppe die Konzentration an 12-LOX erhöht war sowie mehr als doppelt so viel 12-HETE vorlag (2,6). Anschließend untersuchten die Wissenschaftler das Gewebe der Mäuse, die mit 500 g/kg Saccharose gefüttert worden waren. Bereits im Alter von drei Monaten hatten die kleinen Nager Adenome in ihren Brustdrüsen. Bei den Kontrollmäusen dagegen fanden die Forscher nur eine geringfügige Hyperplasie.
Nun stellten sich die amerikanischen Wissenschaftler die Frage, wer bzw. was denn nun genau die Wurzel des ganzen Übels sei: Fruktose oder Glukose? Denn das Disaccharid Saccharose besteht bekanntlich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Fruktose. In ihre Einzelteile wird sie durch spezielle Glukosidasen zerlegt. In einem weiteren Tierversuch erhielten die Nagetiere daher Futter, das entweder mit Saccharose (250 g/kg), Glukose (125 g/kg), Fruktose (125 g/kg) oder Glukose und Fruktose (125 g/kg + 125 g/kg) angereichert worden war. Das Ergebnis: Im Vergleich zu den Mäusen, die kein Zucker konsumiert hatten, hatten die Tiere, die Fruktose erhalten hatten, sowohl größere Tumore als auch mehr Metastasen in der Lunge (1.9 ± 0.4 pro Maus der Saccharose-Gruppe, 2.2 ± 0.4 pro Maus der Fruktose-Gruppe, 2.6 ± 0.8 pro Maus der Fruktose-und-Glukose-Gruppe vs. 0.4 ± 0.2 pro Maus der Kontrollgruppe). Eine signifikant erhöhte 12-HETE-Konzentration fanden die Forscher allerdings nur bei den Tieren aus der Fruktose- sowie der Fruktose-und-Glukose-Gruppe.
Die amerikanischen Wissenschaftler um Assistenzprofessor Peiying Yang sind nicht die ersten, die einen Zusammenhang zwischen Zucker bzw. Fruktose, 12-LOX- sowie 12-HETE-Konzentration und (Brust-)Krebsentstehung vermuteten. Bereits vor 20 Jahren beobachtete ein Forscherteam der American Health Foundation [Paywall], dass sich sowohl die Prostaglandin E2-, 12-HETE- und 15-HETE-Werte als auch die Zellinvasion erhöhte, wenn sie humane Brustkrebszellen in Anwesenheit der Omega-6-Fettsäure Linolsäure kultivierten. Dabei konnte die Zellinvasion durch die Zugabe des 12-Lipoxygenase-Inhibitors Esculetin blockiert werden, nicht aber durch den selektiven Cyclooxygenase-Inhibitor Piroxicam. Auch bei der Kultivierung der Brustkrebszellen in Anwesenheit von 12-HETE fanden die Forscher eine erhöhte Zellinvasion, nicht jedoch bei 5-HETE oder Prostaglandin E2. Begleitet wurde die Invasion mit einer gesteigerten enzymatischen Aktivität der Metalloprotease-9, einer Kollagenase. In den darauffolgenden Jahren wurden mehrere Studien veröffentlicht, die sich mit der Konzentration der 12-LOX bei Brustkrebs sowie deren Auswirkungen befassten. So sollte es laut eines ägyptischen Forscherteams möglich sein, anhand der 12-LOX-Expression eine Aussage darüber zu machen, wie weit der Tumor bereits fortgeschritten ist. 2010 entdeckten amerikanische Wissenschaftler, dass Fruktose die Proliferation der Pankreaskrebszellen verursacht [Paywall]. Dies liege daran, dass die Verstoffwechselung der Fruktose und Glukose unterschiedlich sei. Zudem sollen Fruktose und ihr Transporter GLUT5 einen direkten Effekt auf das Tumorwachstum beispielsweise der Brustkrebszellen haben.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass bei Mäusen die 12-LOX/12-HETE-Produktion, die durch den Zucker bzw. die Fruktose in der Nahrung angeregt wird, ein potenzieller Signalweg, insbesondere für das durch Zucker geförderte Tumorwachstum, in Brustkrebszellen in vivo ist“, so die Autoren. Diese Studie bringe laut den Wissenschaftlern zum ersten Mal den Zucker aus der Nahrung mit der Brustkrebsentstehung und Metastasierung in Verbindung. Anzumerken ist jedoch, dass weder auf die Stichprobengröße eingegangen wird, noch Rohdaten zur Verfügung stehen. Zudem bleibt unklar, wie Saccharose bzw. Fruktose die 12-HETE-Produktion ankurbelt und ob diese Steigerung aufgrund direkter oder indirekter Effekte zustande kommt. Und zu guter Letzt stellen die gefundenen Ergebnisse lediglich Assoziationen der Wissenschaftler dar. Der Beweis, dass die vermehrte Bildung von 12-HETE sowie das gefundene Tumorwachstum auch wirklich auf den Zuckerkonsum zurückgehen, müsste noch erbracht werden. Anhand dieser Studie lässt sich daher keine Aussage darüber machen, ob Brustkrebspatienten bzw. gefährdete Frauen lieber die Finger vom Zucker lassen sollten oder nicht. Originalpublikation: A Sucrose-Enriched Diet Promotes Tumorigenesis in Mammary Gland in Part through the 12-Lipoxygenase Pathway Peiying Yang et al.; Cancer Research, doi: 10.1158/0008-5472.CAN-14-3432; 2016