Aufgrund zunehmender Bauchschmerzen und Fieber stellt sich ein 67-jähriger Patient in der Notaufnahme vor. Seit sechs Monaten schon leide er unter afebrilen, blutigen Durchfällen, aufgrund derer er inzwischen fünf Kilogramm Gewicht verloren habe.
Vor drei Monaten habe er deshalb erstmals seinen Hausarzt aufgesucht. Dieser unternahm einen einwöchigen Behandlungsversuch mit Ciprofloxacin, was jedoch keinen Erfolg gezeigt hatte.
Unklares Fieber
In der körperlichen Untersuchung erweist sich der Patient als kardiopulmonal stabil. Die Körpertemperatur beträgt 38,5°C. Der obere rechte Abdominalquadrant ist schmerzhaft, eine Hepatomegalie oder ein Ikterus liegen nicht vor. Die Blutuntersuchung ergibt eine Leukozytose, das CRP ist stark erhöht. Gesamtbilirubin und Leber-Transaminasen liegen im Referenzbereich. Der Patient ist weder positiv für virale Hepatitiserreger, noch finden sich Hinweise auf autoimmune Vorgänge.
Das Leiden der Leber
Das CT gibt schließlich Aufschluss, woher die Beschwerden des Patienten rühren. Es zeigt zwei hepatische Abszesse im VI. und VII. Segment mit einem Durchmesser von 58 und 67 mm und zudem Anzeichen einer chronischen Kolitis und Proktitis.
Die Blutkulturen des Mannes sind jedoch steril und im Stuhl zeigt sich kein Hinweis auf bakterielle Infektionen. Auch in der Flüssigkeit, die durch Punktion der Leberabszesse aspiriert werden kann, gelingt kein Nachweis von Bakterien.
Der entscheidende Hinweis
Nach einer PCR für Entamoeba histolytica meldet das Labor schließlich einen Treffer. Sowohl die Abszessflüssigkeit als auch erneut analysierte Stuhlproben testen sich hierfür positiv. Die anschließend durchgeführte Amöbenserologie ergibt einen Titer von mehr als 1/2560 (cut-off > 1/320), wodurch die Ärzte schließlich die Diagnose einer intestinalen und hepatischen Amöbiasis stellen.
Für den Patienten bedeutet dies die lang ersehnte Wendung. Unter entsprechender Behandlung bessert sich der Zustand des Patienten zügig. Innerhalb von 48 Stunden ist er fieberfrei, auch die Leberbeschwerden und blutigen Durchfälle verschwinden.
Ursachenforschung
Was bleibt ist die Frage, wo er sich mit der Amöbenruhr infiziert haben könnte. Amöben sind zwar weltweit verbreitet, allerdings kommen Infektionen in Ländern mit guten Hygienestandards in der Regel nicht vor. Der Patient selbst ist noch nie außerhalb von Europa verreist. Seine Partnerin sei hingegen schon viel in der Welt herum gekommen – unter chronischen Durchfällen habe sie aber noch nie gelitten.
Als die Frau jedoch von der Diagnose erfährt, berichtet diese, dass ihr Ex-Partner während ihrer vorherigen Beziehung einmal unter intestinaler Ämöbiasis gelitten habe. Da sie selbst keine Symptome gezeigt hatte, wurde sie damals nicht untersucht. Eine Blutuntersuchung bestätigt nun, dass auch sie infiziert ist.
Unterschätzte STI
Der Fall zeigt, dass chronische Durchfälle auch bei Patienten mit negativer Reiseanamnese auf Amöbiasis getestet werden sollten. Auch wenn die Krankheit üblicherweise fäkal-oral übertragen wird, ist eine sexuelle Infektion durch einen asymptomatischen Partner durchaus möglich. Die Testung und Mitbehandlung des Partners ist daher wie bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten dringend geboten.
Quelle: © Anne Claire Billet / BMJ Case Reports / docc.hk/j4ygxm
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