Übergewicht löst Nikotin als Hauptrisikofaktor für Krebs bald ab, so die Einschätzungen von Ernährungsmedizinern. Aber auch die Ernährung von bereits erkrankten Patienten hat Einfluss auf den Therapieerfolg. Fehl- oder Mangelernährung sollte enger in den Fokus der Onkologen rücken.
Rauchen ist die häufigste Einzelursache für Krebs. Das könnte sich vielleicht ändern: „Gewichtszunahme könnte Rauchen als Hauptrisikofaktor für Krebs bald ablösen“, erklärt Professor Bertz vom Universitätsklinikum Freiburg auf der Kongress-Pressekonferenz am 21. Juni 2018. Denn mehr als ein Drittel aller Tumorerkrankungen ist nach Schätzungen der WHO mittlerweile auf Lebensstilfaktoren zurückzuführen. Übergewicht und Bewegungsmangel erhöhen das Risiko für viele Krebserkrankungen.
Studien haben gezeigt, dass ein zu hohes Gewicht und geringe körperliche Aktivität Risikofaktoren für viele Krebserkrankungen sind. Bestimmte Tumorarten wie beispielsweise Mammakarzinome nach den Wechseljahren, Eierstock- oder Gebärmutterhalskrebs aber auch Dickdarm- und Prostatakrebs treten bei übergewichtigen Menschen verstärkt auf. „Zu viel Essen, zu wenig Bewegung und daraus resultierendes Übergewicht haben einen größeren Einfluss auf die Entstehung und das Voranschreiten von Tumorerkrankungen als Nikotinkonsum“, sagt Sektionsleiter für Ernährungsmedizin und Diätetik Bertz. So ist die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken für stark übergewichtige Frauen mit einem Body Mass Index von über 35 um ungefähr 90 Prozent erhöht.
Übergewicht steigert zudem das Risiko für Rezidive, also für das erneute Auftreten von Tumoren. Regelmäßige körperliche Aktivität reduziert dagegen die Gefahr, Krebs zu bekommen oder dass ein Tumor wiedererscheint. Experten empfehlen fünf bis sieben Stunden moderat anstrengende körperliche Tätigkeit pro Woche, zum Beispiel Fahrradfahren oder zügiges Spazierengehen. „Dass Übergewicht und Bewegungsmangel schlecht für Herz und Kreislauf sind, ist allgemein bekannt“, so Bertz. „Wir wollen die bekannten negativen Auswirkungen auf Tumorerkrankungen aber noch stärker in das Bewusstsein von Ärzten und Bevölkerung bringen“, betont der Experte für Ernährung in der Onkologie.
Menschen, die bereits an Krebs erkrankt sind, verlieren oft dramatisch an Gewicht. Dabei handelt es sich vor allem um den Abbau von Muskelmasse, nicht von Fettgewebe. Für Tumorpatienten können Mangelernährung und Gewichtsverlust schwerwiegende Folgen haben: Sie schwächen den Patienten und wirken sich negativ auf Operationserfolg, Chemotherapie, Prognose und nicht zuletzt die Lebensqualität aus. „Jährlich sterben allein 20 bis 30 Prozent aller Krebspatienten nicht an ihrer Grunderkrankung, sondern an den Folgen ihrer Mangelernährung“, betont DGEM-Kongresspräsident Prof. Christian Löser, Chefarzt der Medizinischen Klinik der DRK-Kliniken Nordhessen und Experte für Mangelernährung. Die Experten sind sich einig: „Hier müssen wir mit etablierten ernährungsmedizinischen und ernährungstherapeutischen Maßnahmen intensiv gegensteuern.“ Tumorpatienten können von einer individuellen ernährungsmedizinischen Betreuung und bewegungstherapeutischen Maßnahmen enorm profitieren. „Wichtig ist, dass diese Maßnahmen bereits frühzeitig starten und nicht erst dann, wenn sich der Patient bereits in einem Stadium des Auszehrsyndroms (Kachexie) befindet“, ergänzt Bertz. „Sowohl in der Klinik als auch in der ambulanten Betreuung sollte eine individuelle Ernährungstherapie eine Selbstverständlichkeit sein“, fordert VDOE-Kongresspräsidentin Ingrid Acker.
Auch in der Nachsorge bleibt das Thema Ernährung aktuell: „Ehemalige Patienten können durch ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung die Folgen der Erkrankung oder Therapie lindern, ihre Widerstandskraft steigern und ihre Lebensqualität verbessern“, so Bertz. Eine aktuelle im Journal of the American Medical Association erschienene Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein gesundes Körpergewicht, regelmäßige Bewegung und der Verzehr von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten das Sterberisiko um fast 50 Prozent reduzieren. „Beobachtungsstudien belegen für viele Krebserkrankungen, dass ein gesunder Lebensstil mit ausreichend körperlicher Aktivität das Wiederauftreten von Krebs deutlich reduzieren kann“, betont Löser. Der Text basiert auf einer Pressemitteilung vom Kongress Ernährung 2018 (DGEM, VDOE, BDEM).