So mancher Patient mit Akne doktert lieber selbst an seiner Hauterkrankung herum, anstatt professionelle Hilfe zu suchen. Der Markt ist voll von angeblichen Wundermitteln, eine Standardtherapie gibt es nicht.
Im Laufe ihres Lebens erkranken 85 bis 90 Prozent aller Menschen an Acne vulgaris. Oft trifft es Jugendliche, seltener Erwachsene. Nur bei starker Ausprägung wird die Sache gefährlich, und Superinfektionen mit Beteiligung der Lymphknoten drohen. Doch unabhängig von der Ausprägung leiden Betroffene oft seelisch stark unter den Pusteln und Pickeln – vor allem im Gesicht. Das Internet bietet vermeintliche Hilfe, fördert aber tatsächlich so manchen Irrglauben zu Tage.
Ist der Leidensdruck groß, stehen Heilpraktiker schon in den Startlöchern. Bis zu 40 Tipps gegen die Krankheit offerieren sie auf ihren Websites. Besonders beliebt ist das Thema Ernährung. „Lassen Sie mal vier Wochen alle Produkte mit verarbeitetem Zucker, Konservierungsstoffen und Weizenbestandteilen weg. Meiden Sie jegliche Milchprodukte und steigen Sie auf Bio um“, lautet ein Tipp.
Auch Fasten, Vitalpilze der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), Schüßler-Salze, Komplexhomöopathie oder Heilerde zur „innerlichen Reinigung“ werden genannt. Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht fehlen – hier reicht das Spektrum von Vitamin A, D, E, über Omega-3-Fettsäuren bis hin zu Zink und Selen. Auch Teebaumöl steht hoch im Kurs.
Viele der „Empfehlungen“ haben keinerlei Bezug zur evidenzbasierten Medizin. Es gibt Hinweise, dass Lebensmittel mit niedrigem glykämischem Index die Symptome einer Acne vulgaris abmildern. Ausbrechen wird die Haut wohl trotzdem. Die evidenzbasierte europäische S3-Leitlinie rät aufgrund fehlender Daten daher weder zu Diäten, noch zu Supplementen oder TCM-Drogen. Bei Erwachsenen scheint es Assoziationen mit Stress und psychischer Belastung zu geben. Aber auch hier findet man nur einzelne Studien. Problematisch ist, dass viele Produkte in Reformhäusern oder Drogerien schnelle Hilfe suggerieren.
Der kurze Besuch in zwei Geschäften ergab rund 20 beziehungsweise 25 Produkte zur Aknetherapie. Das Geschäft mit den Aknemitteln boomt – nicht zuletzt weil Patienten den Gang zum Dermatologen scheuen. Wie sähe eine leitliniengerechte Therapie denn aus? Ein Blick in die europäische S3-Leitlinie:
Bakterien spielen bei Akne ebenfalls eine Rolle. Besonders Cutibacterium acnes, bekannter als Propionibacterium acnes, wurde im Zusammenhang beschrieben. Was liegt näher, als die unerwünschte Kolonisation mit topischen Antibiotika zu unterdrücken? Erythromycin und Clindamycin sind hier Mittel der Wahl.
Sind größere Flächen des Körpers betroffen oder sprechen topische Retinoide oder BPO nicht gut genug an, verordnen Ärzte systemische Antibiotika. Die Präparate sollten bekanntlich aufgrund der Resistenzbildung maximal drei Monate eingenommen werden. Orale Antibiotika sind schweren und anderweitig therapieresistenten Formen der Akne vorbehalten.
Die Forschung hat ebenfalls Neues zur Aknetherapie beizutragen. Die klassische Pathogenese auf Basis von Seborrhoe, Komedonen und Bakterien wurde deutlich erweitert. Im Mittelpunkt stehen jetzt Rezeptoren, also Bindungsstellen, für Signalmoleküle.
Topisches Flutamid bindet an Rezeptoren auf Sebozyten und verhindert deren Differenzierung. Als wichtige Struktur wurden außerdem Peroxisom-Proliferator-aktivierte Rezeptoren (PPAR) identifiziert. Forscher testen derzeit spezielle Antagonisten in klinischen Studien. Auch hier ist eine Verringerung der Talgproduktion das Ziel.
Keratinozyten sind ebenfalls vielversprechende Targets. Bei ihnen aktiviert C. acnes verschiedene inflammatorische Signalwege. Dagegen helfen nicht nur Antibiotika, sondern antimikrobielle Peptide. Omiganan wurde bei Hautinfektionen mit multiresistenten MRSA untersucht. Das Molekül könnte sich vielleicht gegen C. acnes bewähren. Auch das Tripeptid KDPT gilt als aussichtsreicher Kandidat. Es hat antiinflammatorische Eigenschaften durch die Beeinflussung verschiedener Signalwege auf Basis von Interleukinen. Trotz aller Euphorie darf nicht vergessen werden: Bis zur Entwicklung neuer Arzneistoffe wird noch viel Zeit vergehen.
Nicht jedes medizinische Behandlungsverfahren stützt sich jedoch auf evidenzbasierte Kriterien. Gerade in älteren Veröffentlichungen ist immer wieder von Phototherapien die Rede. Rotes oder blaues Licht soll Akne abmildern. Krankenkassen erstatten die Behandlung nicht. Damit bleibt nur noch eine IGeL-Leistung für fünf bis 15 Euro pro Sitzung. Meist werden acht Sitzungen über vier Wochen verteilt angeboten.
Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat für seinen IGeL-Monitor wissenschaftliche Studien ausgewertet. Von 453 Treffern bei Datenbank-Recherchen erfüllten nur drei die Kriterien evidenzbasierter Therapien. Unter den eingeschlossenen Arbeiten war auch eine Cochrane Review. „Trotz einzelner berichteter positiver Effekte ist die aktuelle Evidenzlage qualitativ und quantitativ nicht ausreichend, um einen Hinweis oder Beleg für einen Nutzen der Lichttherapie ableiten zu können“, fassen die Autoren des IGeL-Monitors zusammen.
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