Patienten nutzen immer häufiger Diagnose-Apps, anstatt direkt zum Arzt zu gehen. Inzwischen mischen sich auch Krankenkassen ein: Sie werben gezielt für die Nutzung. Das geht Medizinern entschieden zu weit.
Laut EPatient Survey 2019 verbreiten sich Health-Apps im Gesundheitssektor immer stärker. Bei Medikamenten-Apps ging die Nutzung innerhalb eines Jahres von 11 auf 18 Prozent nach oben, bei Diagnostik-Apps gelang ein Sprung von 6 auf 12 Prozent, und Online-Terminbuchungen gewannen einen Zuwachs von 24 auf 28 Prozent. Empfehlungen zur Nutzung dieser Apps kommen in erster Linie von GKVen. Werbung über Ärzte selbst und Werbung über TV, Print oder Ähnlichem sind aber ebenfalls von Bedeutung. Marktforscher beobachten einen zunehmend aggressiveren Wettbewerb, der nicht mehr rein online stattfindet.
So manche App geht eher auf GKV- denn auf ärztliche Empfehlungen zurück. Ein Beispiel: Die TK kooperiert mit der Berliner Start-Up Ada Health und bewirbt die App Ada – als „Symptomcheck ohne Termin“. Ada kann Vorabdiagnosen erstellen und arbeitet dazu mit Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Patienten füttern das kleine Programm mit Basisdaten wie Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen. Anschließend könne sie per Fragebogen Symptome eingeben. Als Ergebnis erhalten Patienten eine Vorschlagsliste mit möglichen Ursachen beziehungsweise Krankheitsbildern. Genannt werden Wahrscheinlichkeiten, aber keine absoluten Ergebnisse. In der nächsten Ausbaustufe sollen auch Videokonferenzen mit einem Arzt möglich werden.
Mediziner reagieren auf den Kassenvorstoß mit offener Kritik. „Diese Form von Einmischung einer Krankenkasse in das individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis ist für uns eine klare Grenzüberschreitung“, sagte Dr. Klaus Reinhardt vom Hartmannbund. Krankenkassen hätten sich auf Fragen zum Versicherungsverhältnis zu beschränken. Das sieht Dr. Dirk Heinrich vom NAV-Virchow-Bund ähnlich: „Wichtig ist, dass am Ende dieser Angebote immer ein Vertragsarzt steht. Das erwarte ich auch vom neuen Angebot der TK. Ansonsten ist das faktisch die Kündigung der Kollektivverträge und die Übernahme des Sicherstellungsauftrages durch die Krankenkassen.“
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