Ein vererbter Genfehler des Vaters kann durch eine funktionierende Genvariante der Mutter ausgeglichen werden und umgekehrt. Forscher fanden nun jedoch heraus, dass dieser Mechanismus nicht in allen Fällen die Zellen vor der Entartung bewahren kann.
Trichilemmalzysten sind sehr häufig auftretende gutartige Tumore, die sich aus einem Bereich der Haarwurzel entwickeln und hauptsächlich auf dem Kopf auftreten. Sie können so groß wie ein Hühnerei werden und treten bei etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung auf.
An diesen Zysten hat ein internationales Team unter Leitung von Forschern des Universitätsklinikums Freiburg einen neuen Mechanismus der Tumorentstehung beschrieben. Sie wiesen in aufwendigen Experimenten nach, dass es ausreicht, wenn in einer Zelle nur eine von zwei Genkopien fehlerhaft ist. Anhand von genetischen und funktionellen Laboruntersuchungen konnten sie zeigen, dass ein Teil dieser Genfehler vererbt wurde.
Allerdings entstand die Zyste nur dann, wenn im Laufe des Lebens weitere Fehler in derselben Genkopie hinzukamen. Eine solche kombinierte Schädigung in nur einer Genkopie war bislang nicht beobachtet worden. Ihre Erkenntnisse könnten auch für das Verständnis anderer zystenartiger Erkrankungen von Bedeutung sein.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine einzelne vorgeschädigte Genkopie bei ungünstigen Umwelteinflüssen ausreichen kann, um schwere Erkrankungen hervorzurufen“, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Judith Fischer, Direktorin des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Freiburg.
Die Studie erweitert damit die sogenannte Knudson-Hypothese. Jede Zelle enthält die Erbinformationen in doppelter Ausführung, vom Vater und von der Mutter. Die Knudson-Hypothese besagt folgendes: Enthält eines der beiden Allele tumorfördernde Veränderungen, kann das zweite funktionsfähige Gen die Tumorentstehung unterdrücken. Verliert die zweite Genkopie im Laufe des Lebens durch erworbene Mutationen ebenfalls ihre Funktion, können die Zellen entarten und ein Tumor entsteht. Dass jedoch auch die Kombination aus vererbten und erworbenen Fehlern in der gleichen Genkopie zur Tumorentstehung führen kann, ohne dass das zweite Allel beschädigt ist, haben die Forscher jetzt erstmals gezeigt.
Um den neuartigen Mechanismus aufzuklären, untersuchten die Wissenschaftler zunächst das Erbgut entarteter Zellen von Patienten mit Trichilemmalzysten und von deren Verwandten. Dabei entdeckten sie, dass es in der menschlichen Bevölkerung Personen gibt, die in einem Allel eine bestimmte Variante des PLCD1-Gens in sich tragen. „Diese sogenannten Risikoallele sind alleine noch nicht schädlich. Aber diese Personen sind anfälliger für weitere Mutationen auf dem gleichen Allel, die dann zur Entstehung von Trichilemmalzysten in Haarfollikeln führen“, sagt Hörer. Warum diese zusätzlichen Mutationen („second hit“) entstehen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig verstanden. Sicher ist aber, dass Personen, die sowohl das Risikoallel als auch zusätzlich erworbene Mutation tragen, Trichilemmalzysten entwickeln.
„Die Entdeckung dieses neuartigen Mechanismus ist ein wichtiger Schritt in der Tumorforschung. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass auch andere Tumoren oder zystenartige Erkrankungen wie die polyzystische Nierenerkrankung diesem Mechanismus unterliegen können“, sagt Fischer. Mit der Studie haben die Forscher nun einen neuen Ansatzpunkt, um diese Krankheiten zu verstehen.
Textquelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg
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