Eine geeignete Verhütungsmethode für Brustkrebspatientinnen zu finden, ist nicht leicht. Orale Kontrazeptiva stehen im Verdacht, die Entstehung von Mammakarzinomen zu fördern. Was können Ärzte empfehlen?
Das Mammakarzinom ist mit rund 69.000 jährlichen Neuerkrankungen die häufigste Krebsart bei Frauen in Deutschland. Davon sind fast 30 Prozent der Patientinnen bei der Diagnosestellung jünger als 55 Jahre. Für diese Patientinnen ist eine sichere Antikonzeption unerlässlich.
Als Risikofaktoren für ein Mammakarzinom zählen frühe Menarche und späte Menopause, Nulliparität und familiäre Belastung. Außerdem werden auch Nikotinabusus und langjährige hormonelle Therapien diskutiert.
Gerade der Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütungsmittel und der Entstehung von Brustkrebs gibt immer wieder Anlass zu umfassenden Studien. Eine gute Übersicht der aktuellen Datenlage liefert ein Artikel aus der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Bezüglich einer möglichen Karzinogenese durch orale kombinierte Kontrazeptiva lässt sich anhand des Artikels Folgendes zusammenfassen:
Man geht davon aus, dass orale kombinierte Kontrazeptiva bei längerer Anwendungsdauer und bis etwa fünf Jahre danach, die Rate an diagnostizierten Mammakarzinomen um 10 Prozent erhöhen. Fünf bis 10 Jahre nach Beendigung der Einnahme besteht kein erhöhtes Risiko mehr. Andererseits senken orale Kombinationspräparate die Rate anderer Krebserkrankungen, wie etwa des Ovarial- und Endometriumkarzinoms, noch viele Jahre nach Anwendungsende. Man spricht hierbei von einer neutralen Krebsbilanz. Bei reinen Gestagenpräparaten ist die Studienlage uneinheitlich. Sie scheinen eher nicht zu einer höheren Rate an Karzinomerkrankungen beizutragen, weitere größere Kohortenstudien sind jedoch erforderlich. Insgesamt wird der Östrogenkomponente die fördernde Rolle bei der Entstehung eines Mammakarzinoms zugeschrieben.
Studienlage: Kontrazeption bei Mammakarzinom
Der Altersgipfel bei Brustkrebserkrankungen liegt bei 50 bis 70 Jahren. Darauf wurde auch der Untersuchungszeitraum für das Mammografie-Screening abgestimmt. Da aber nahezu 30 Prozent der an Brustkrebs erkrankten Frauen bei Diagnosestellung jünger sind, stellt sich die Frage, weche Antikonzeption in diesen Situationen medizinisch vertretbar ist. Zwei Aspekte gilt es hier ganz besonders zu beachten: die Prognose der Erkrankung darf sich unter Kontrazeptiva nicht verschlechtern. Außerdem muss die Sicherheit der Methode in Anbetracht der laufenden Therapie (z.B. Chemotherapie) gewährleistet sein. Somit darf die gewählte Verhütungsart die Erkrankung nicht negativ beeinflussen, etwa in Form einer Begünstigung von Metastasierung oder Rezidiven.
Weiterhin unterliegen onkologische Patienten aufgrund der Gesamtsituation einer erhöhten Thrombosegefahr. Außerdem müssen mögliche Nebenwirkungen der Tumortherapie, wie etwa starke Emesis unter Chemotherapie, berücksichtigt werden. Andererseits sollte die Kontrazeption sehr verlässlich sein, also einen hohen Pearl-Index haben. Eine Schwangerschaft unter Chemotherapie oder Radiatio gilt es aus medizinischer Sicht unbedingt zu vermeiden, ganz abgesehen von der ohnehin extremen psychischen Belastung durch eine Krebserkrankung, eine ungewollte Schwangerschaft könnte hierbei zu einer Überforderungssituation der Patientin führen.
Bei der Antikonzeptionsberatung in Risikosituationen sind die Empfehlungen des Centers for Disease Control and Prevention sehr hilfreich. Laut dieser Kriterien sind alle hormonelle Kontrazeptionsmethoden in den ersten 5 Jahren nach Diagnosestellung kontraindiziert (Grad 4). Danach besteht eine relative Kontraindikation (Grad 3). Ein Kupfer-IUP ist uneingeschränkt möglich (Grad 1).
In aktuellen amerikanischen Guidelines der „Society of Family Planning“ sollen Karzinompatientinnen allgemein aufgrund des erhöhten Thromboserisikos kombinierte orale Kontrazeptiva während und bis zu sechs Monaten nach einer Chemotherapie meiden (Level A). Auch hier ist die erste Wahl ein Kupfer-IUP (Level A).
Römer und Göretzlehner unterscheiden in ihrem sehr praktischen Lehrbuch „Kontrazeption mit OC - Orale Kontrazeptiva in 238 Problemsituationen“ (1) zwischen rezeptorpositivem und rezeptornegativem Mammakarzinom. Bei letzterem ist die Verordnung von niedrig dosierten Kombinationspräparaten zu erwägen. Sie weisen aber darauf hin, dass dies entgegen der WHO-Empfehlung sei.
Problematisch ist auch die Anwendung einer Hormonspirale unter Mammakarzinom. Laut Fachinformation muss ein LNG–IUP in dieser Situation entfernt werden. Die Studienlage bezüglich LNG-IUP und Mammakarzinomentstehung ist widersprüchlich (2). Unter einer Tamoxifen-Therapie kann es zur Reduktion des Endometriumkarzinomrisikos beitragen.
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Bildquelle: Ed Uthman, flickr