Online-Apotheken, Securpharm – jetzt auch noch das E-Rezept. Apotheker nicken ab und ärgern sich. Sie haben aber keine andere Wahl, weil sie sonst erst recht von den Versandapotheken abgehängt werden.
„Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber.“ Dieses Zitat wird fälschlicherweise wahlweise Bertold Brecht, Heinrich Heine oder Wilhelm Busch zugeschrieben. Tatsächlich stammt es von einem unbekannten Autoren – und kommt mir gerade in letzter Zeit immer wieder in den Sinn. Dann nämlich, wenn ich lese, dass die Apotheker dabei helfen, das E-Rezept auf den Weg zu bringen. Doch was bleibt ihnen auch anderes übrig? Beteiligen sie sich nicht, dann werden sie nur um so schneller abgehängt. Es scheint, als steckten sie in einer Lose-Lose-Situation.
In letzter Zeit wurde es in den Medien wieder lauter um das Thema. Das liegt am Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Es tritt voraussichtlich zum 1. Juli 2019 in Kraft. Dort steht eindeutig beschrieben, zu welchem Zeitpunkt das E-Rezept realisiert und umgesetzt werden soll: genau 7 Monate später, ergo zum 1. Februar 2020. Der Februar entwickelt sich somit immer mehr zum Schreckensmonat der Apothekerschaft – 2019 war es Securpharm, 2020 wird es das E-Rezept, 2021 kommt dann vielleicht die Kettenapotheken? Wer weiß …
Doch warum haben die Apotheker Angst vor dem E-Rezept, fragen sich die Nichteingeweihten? Haben sie Angst vor der Digitalisierung? Sind sie die Ewiggestrigen, die sich hinter ihren HV-Tischen und Schubladen verstecken und am liebsten alles beim Alten lassen wollen? Mitnichten!
Ich kenne nur wenige Arbeitsplätze, bei denen alles derart digitalisiert ist wie in den Apotheken. Ohne Computerkasse geht zunächst einmal überhaupt nichts. Nur durch sie kann der Wust aus Rabattverträgen und diversen anderen Verträgen zwischen Kassen, Herstellern, Patienten und Apotheken überhaupt gehandhabt werden. Die Waren lagern im Automaten, der sie nach platzsparendem, aber chaotischem Prinzip einlagert und bei Bedarf wieder ausspuckt. Seine Bereinigung über diverse Listen errechnet der Computer. Bestellungen aus dem Tagesgeschäft laufen automatisiert über MSV3, die Ablage von Rechnungen über das ELO.
Kommunikation im Team funktioniert nicht nur direkt, sondern per App und Mail. Rückrufe verwalten wir über ApoSync, und so manche Fortbildung absolvieren wir als Webinar oder über Marpinion. Unsere Gehaltsabrechnung bekommen wir nicht mehr in die Hand gedrückt, die lagert elektronisch in der Cloud. Auch heute schon bestellt so mancher Kunde seine Medikamente per CallMyApo-App. Angst vor weiterer Digitalisierung bei unserer Arbeit haben wir nicht. Da ist es bei einigen Ärzten deutlich schlechter um die Digitalisierung bestellt als in den Apotheken. Denn der Hauptübertragungskanal von schriftlichen Informationen aus der Praxis läuft immer noch per Fax.
Die meisten Patienten haben inzwischen ein Smartphone, und selbst die ältere Generation weiß mit Apps umzugehen. Dienste, die E-Rezepte verarbeiten können, werden wie Pilze aus dem Boden schießen. Wahrscheinlich wird sich mit vielen kleinen Anbietern verzettelt, während die Online-Apotheken Morgenluft wittern. Man kann davon ausgehen, dass die Grünen aus Holland bereits die Eurozeichen in den Augen stehen haben, denn sie haben ja schon angefangen, mit dem E-Rezept zu werben. Und das lange bevor es tatsächlich verfügbar ist.
Sie profitieren davon auch am meisten. Denn ihre Lieferzeiten werden sich dramatisch verkürzen, wenn das Papierrezept nicht erst noch umständlich per Post eingeschickt werden muss, bevor es verarbeitet werden kann. „Next Day Delivery“ ist somit kein Hexenwerk mehr. Herr Oberhänsli, Chef der Arzneimitteldistribution Zur Rose, ist sogar derart optimistisch, dass er einen Marktanteil von 10 Prozent für die Versender innerhalb der nächsten Jahre für realistisch hält. Zur Erinnerung: Aktuell sind es 1,5 Prozent! Da Spahn angekündigt hatte, den Anteil des Versandhandels am Apothekenmarkt unter 5 Prozent zu halten, wird sich dann bald zeigen müssen, wie er sich das vorstellt.
Auch branchenfremde Medien berichten derzeit über die Auswirkungen die das E-Rezept auf den deutschen Apothekenmarkt haben wird. Im Handelsblatt wird beispielsweise eine Studie der Unternehmensberatung Dr. Kaske zitiert, die für die Apotheken verheerende Folgen prophezeit:
„Der Analyse zufolge könnte die Zahl der stationären Apotheken in Deutschland dagegen bis 2030 auf knapp 12.000 fallen. Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gab es Ende 2018 noch 19.423 Apotheken. Die Zahl ist seit Jahren rückläufig und liegt mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit Mitte der 80er-Jahre.“
Das ist der Grund, warum auf Seiten der öffentlichen Apotheken gezittert wird. Da ist auch die Angst, dass nicht genug Werbung für die standeseigenen Übertragungsapps von DAV oder auch NOWEDA gemacht wird. Und dass die Patienten sich die durch massive Werbung bekanntere Alternative der grünen Holländer auf ihr Smartphone holen. Trotzdem: Projekt E-Rezept wird durch die Hilfe der Apotheken weiter und schneller vorangetrieben.
Hier darf auch nicht nachgelassen werden, denn die Versender nehmen den öffentlichen Apotheken sonst komplett die Butter vom Brot. In Hamburg gibt es zur Zeit einen ersten Feldversuch zum E-Rezept. Das Pilotprojekt der Techniker Krankenkasse findet mit ausgewählten Ärzten, einer ausgewählten Apotheke, der Technik der connected-health.eu und dem Software-Dienstleistungsunternehmen König IDV (von dem der DocMorris-Mutterkonzern die Hälfte der Anteile hält) statt. Für dieses Projekt ist die Techniker sogar für den dfg-Award nominiert worden. In Baden-Württemberg wird ebenfalls vom Landesapothekerverband mitgemischt in Sachen E-Rezept.
Und das ist ist richtig und wichtig, damit sowohl die Medien als auch unsere Kunden sehen, dass die Apotheke vor Ort eben doch digital auf der Höhe ist. Es muss begriffen werden, dass sie willens und in der Lage sind, App-Bestellungen anzunehmen und noch am gleichen Tag auszuliefern. Der Kunde möchte gerne per Smartphone bestellen. Soll er. Aber bitte vor Ort! Dazu brauchen die Apotheken einfach und intuitiv zu bedienende Technik und weiterhin die Freundlichkeit und Flexibilität, die sie auszeichnet.
Außerdem wird es unumgänglich sein, die Arztpraxen mit ins Boot zu nehmen, bevor nolens volens die DoMo-App genutzt wird, weil sie sicher schön einfach zu bedienen sein wird. Eine kleine Fortbildung der MFA durch die freundliche Apotheke aus der Nachbarschaft ist da sicher sinnvoll … uns wird dazu sicherlich etwas einfallen. Wir werden jedenfalls nicht aufhören, um unseren Arbeitsplatz zu kämpfen – er ist es wert!
Bildquelle: Charles Nadeau, flickr