Proteine aus unserer Nahrung lösen im Darm keine Immunantwort aus – so die bislang geltende Meinung. Doch Immunologen berichten nun vom Gegenteil.
Das Immunsystem bekämpft Krankheitserreger und Fremdkörper, die in den Organismus eindringen. Aber wie steht es um die Proteine, die als Nahrung in den Darm gelangen? „Bisher galt es als medizinisches Lehrbuchwissen, dass die Proteine in der Nahrung keine Immunreaktionen hervorrufen dürfen“, erklärt Ulrich Steinhoff von der Philipps-Universität, der Leitautor der aktuellen Veröffentlichung – „sonst herrsche Chaos.“
Dieses Lehrbuchwissen könnte überholt sein. Das Team um Steinhoff verfolgte das Schicksal von T-Zellen in den Peyer-Plaques, das sind lymphknotenartige Strukturen im Dünndarm, die Ansammlungen von Immunzellen enthalten. „Die Peyer-Plaques sind diejenigen Orte im Verdauungstrakt, an denen Immunantworten initiiert werden“, erläutert Erstautor Dr. Alexander Visekruna, der zu Steinhoffs Team am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Philipps-Universität zählt.
Wie die Forscher zeigen, produzieren die T-Zellen in den Peyer-Plaques Moleküle, wie sie für eine Immunreaktion typisch sind. Nach einer gewissen Zeit unterlaufen die Zellen die Apoptose. „Im Darm stellt sich ein Fließgleichgewicht wie bei einem Dorfbrunnen ein“, legt Steinhoff dar, „es werden dauernd neue Immunzellen durch die Nahrung aktiviert und genauso viele durchlaufen den programmierten Zelltod und sterben ab.“
Der Immunblocker PD-1 ist dafür verantwortlich, die T-Zellen zur Apoptose zu veranlassen. Hemmt man die Aktivität von PD-1, so führt dies zu Darmentzündungen, weil die Immunzellen nicht absterben. „Das erklärt auch, warum Darmentzündungen häufig bei Patienten mit Melanomen auftreten, bei denen PD-1 durch Antikörper ausgeschaltet wird“, sagt Steinhoff.
Um eingehender zu testen, welche Bedeutung der Immunreaktion des Darms zukommt, stellten die Wissenschaftler Experimente mit der Nahrung von Mäusen an. Erhalten die Tiere eine proteinfreie Diät, die alle wichtigen Nährstoffe enthält, so verkümmert der Dünndarm – offenbar braucht der Organismus Proteine, die das Immunsystem erkennen kann. Im Einklang mit diesen Befunden zeigte sich bei Patienten mit der chronischen Darmentzündung Morbus Crohn, dass sie in den Peyer-Plaques eine stark verringerte Anzahl von Immunzellen aufweisen, die Apoptose erleiden. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der programmierte Zelltod von nahrungsaktivierten Immunzellen das Markenzeichen eines gesunden Darms ist“, fasst Steinhoff zusammen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg.
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