Je mehr sich Menschen einer Gruppe zugehörig fühlen, desto geringer ist das Stressempfinden und desto weniger Stresshormone produziert der Körper – auch dann, wenn eigentlich gerade eine belastende Situation ansteht. Eine solche Verbundenheit kann in einem kurzen Zeitraum entstehen.
Sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, eine gemeinsame „soziale Identität“ zu haben, hilft, besser mit Belastungen fertig zu werden. In früheren Studien wurden die Personen miteinander verglichen, die sich mehr oder weniger stark mit einer Gruppe identifizierten. Andreas Mojzisch, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Hildesheim, hat gemeinsam mit seinen Kollegen diesen Ansatz erweitert. Die Forscher wollten zusätzlich wissen, wie sich Veränderungen des Identifikationsgefühls über die Zeit innerhalb einer Person auf das Stresserleben auswirken. In einer realen Belastungssituation untersuchten die Wissenschaftler 85 junge Erwachsene, die an einem eintägigen Aufnahmetest für das Sportstudium an der Universität Hildesheim teilnahmen. Zu Beginn wurden die Bewerber von den Mitarbeitern des Instituts für Sportwissenschaften zufällig in Gruppen zu je etwa 10 Personen eingeteilt. In diesen Gruppen absolvierten sie über den Tag hinweg sechs verschiedene Sporttests (Schwimmen, Turnen, Basketball, Badminton, Kugelstoßen, 3-km-Lauf). Nach der Gruppeneinteilung sowie jeweils vor vier der sechs Disziplinen wurden die Bewerber per Fragebogen zu ihrem subjektiven Stressempfinden und zu ihrer Identifikation mit der Gruppe befragt. Nach vier der sechs Sporttests wurde zusätzlich mittels Speichelproben die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol untersucht. Außerdem sollten die Probanden am Ende des Tages angeben, wie stark sie sich von ihren Gruppenmitgliedern emotional und praktisch unterstützt fühlten.
Es zeigte sich: Je mehr sich die Bewerber mit ihrer Gruppe identifizierten, umso weniger gestresst waren sie. Sie fühlten sich subjektiv weniger belastet und setzten während der Belastungssituationen bei den Sporttests weniger Cortisol frei. Wenn im Tagesverlauf die Identifikation mit der Gruppe anstieg, verringerten sich dementsprechend das Stresserleben und der Cortisol-Level. Bemerkenswert ist, dass sich diese Effekte finden, obwohl die Gruppen ja erst am Morgen des Bewerbungstest-Tages gebildet wurden. Die Autoren schlussfolgern, dass Gruppen nicht unbedingt auf eine lange gemeinsame Geschichte und geteilte Erfahrungen zurückblicken müssen, um von ihrer Verbundenheit zu profitieren. „Das Ausmaß, in dem wir uns mit Gruppen identifizieren, sei es am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, ist ein Schlüssel für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit“, sagt Andreas Mojzisch. „Gezielte Interventionen bei der Arbeit in Teams oder bei Kindern in Schulklassen können helfen, die Gruppenzugehörigkeit zu stärken und dadurch Stress zu verringern.“ Originalpublikation: Disaggregating within- and between-person effects of social identification on subjective and endocrinological stress reactions in a real-life stress situation Charlene Ketturat et al.; Personality and Social Psychology Bulletin, doi: 10.1177/0146167215616804; 2016