„Ich komme jetzt ohne Termin, weil, das ist ganz dringend, meine Tochter hat sooo hohes Fieber.“ Mit diesen oder ähnlichen Worten kommen panische Eltern immer wieder in unsere Praxis gestoplert. Ab wann ist Fieber für Kinder tatsächlich gefährlich?
Mutter: „Ich komme jetzt ohne Termin, weil, das ist ganz dringend, meine Tochter hat sooo hohes Fieber.“
Ich: „Und wie hoch ist die Temperatur? Wie haben Sie denn gemessen?“
Mutter: „Achtunddreißigkommazwo! An der Stirn!“
Mmh, nun ja.
Die Angst vor dem Fieber ist sicher eine der stärksten, die Eltern mit ihren Kindern durchleben, vor allem, wenn das Kind noch klein ist oder das erste Mal Temperatur entwickelt. Da gibt es viele Fehlinformationen und wieder einmal viele irrationale Befürchtungen und Behandlungsvorschläge.
Wie die obige Mutter verhalten sich viele, auch die Väter, na klar – die sind manchmal noch besorgter. Es wird viel Temperatur gemessen, oft falsch bzw. an der falschen Stelle und die Interpretation hakt.
Wann sollte man Fieber messen? Wenn man es fühlt. Ganz einfache Antwort. Da wir selbst eine normale Körpertemperatur von ca. 37 °C haben, empfinden wir Temperaturen darüber als erhöht, eine Hauttemperatur von 38 °C oder noch höher spüren wir. Wenn das Kind entsprechend quengelt, nicht isst oder trinkt (vor allem die Säuglinge), darf gemessen werden.
Im Umkehrschluß heißt das: Ein gesundes Kind braucht keine Temperaturmessung. Also auch kein Säugling nach Entlassung aus dem Krankenhaus, auch kein Kind, dessen Geschwister krank sind.Medizinisches Personal verhält sich da natürlich anders: Bei einem Neugeborenen wird i.d.R. im Wochenbett Temperatur gemessen, auch die fMFA beim Kinderarzt misst eventuell, das ist neben dem Ritual nur eine zusätzliche Information.
Am besten im Po oder Ohr. Axillär oder im Mund kann man vergessen. Und die neuen Stirnthermometer sind bei langem nicht so gut, wie es die Werbung suggeriert. Die rektale Messung ist der Goldstandard, hier befindet sich die Messung am nächsten zum Körperinneren und erfasst damit am besten die sogenannte Körperkerntemperatur. Wir messen in der Praxis bis zum ersten Geburtstag stets rektal. Sind Kinder das von Anfang an gewohnt, geht es auch bei Älteren. Technik: Thermometer vorsichtig bis zum Verschwinden der Metallspitze einführen (Salbe ist erlaubt) und aufs Piepsen warten. Thermometer mit flexibler Spitze gibt es, da braucht man keine Angst haben, etwas zu verletzen.
Dann folgt die Messung im Ohr. Moderne Fieberthermometer sind praktisch deckungsgleich mit der rektalen Messung, aber erst ab einem Jahr nutzbar, wegen des schmalen Gehörgangs und möglicher Fehlmessungen. Dabei sollte den Gehörgang entlang gemessen werden, d.h. man zielt auf das Trommelfell, das ungefähr in Verlängerung des Ohreintritts in Richtung des gegenüberliegenden Auges liegt.
Es gibt Grenzwerte, diese kleine Tabelle hilft:
Säuglinge: Normaltemperatur bis 37,5 °C, ab dann spricht man bereits von Fieber.
Kleinkinder (ca. bis 3 Jahre): erhöhte Temperatur 37,5–38,5 °C, ab 38,5 °C Fieber.
Größere Kinder: erhöhte Temperatur bis 39–39,5 °C, ab dann Fieber.
Das sind aber nur Richtwerte. Sie sagen weder etwas über die Schwere oder Art der Erkrankung aus, noch, wie es dem Kind geht.
Wann muß ich zum Arzt?
Säuglinge mit über 38,5 °C sollten immer einem Arzt vorgestellt werden, nicht in Panik und sofort, aber z.B. mit einem Termin am gleichen Tag. So machen wir das in der Praxis.
Bei Kindern ab einem Jahr können die Eltern auch abwarten: Ist das Kind gut drauf, gibt keinerlei Schmerzen (z.B. Ohr oder Bauch?) an, reicht es, das Kind auch nach zwei oder drei Tagen zum Arzt zu bringen. Viele virale Infekte, denn darum handelt es sich ja meist, vergehen nach 72 Stunden, das Fieber macht den Viren den Garaus.
Wenn es dem Kind nicht gut geht. Das ist individuell sehr verschieden. Es gibt eigentlich keine Temperatur, ab der man fiebersenkende Mittel geben muss. Aber keine Frage: Über 39,5 °C fühlt sich keiner mehr wirklich wohl, da gibt man oft etwas.
Dennoch: Fieber hat seinen Sinn, es bekämpft die Krankheitserreger, daher sollte Fieber wirken. Solange, wie das Kind es toleriert. Bedeutet auch: Schlafende fiebernde Kinder (auch die „Backöfen“) werden bitte nicht gemessen – denn eine Konsequenz ergibt sich daraus nicht: Wer wird sein schlafendes Kind mit 40 °C Fieber schon wecken, um ihm ein Zäpfchen zu geben oder Saft einzuflößen?
Die Angst vor Fieber ist sehr verbreitet und wird geschürt durch irrationale Vorstellungen von Gefahr: Sorge um Fieberkrämpfe, etwas zu verpassen oder dass „die Eiweißmoleküle im Gehirn schmelzen, wenn die Temperatur über 40 °C steigt“. Wie bei allen Erkrankungen bietet Doktor Google schlimmste Verknüpfungen zum Fieber, aber auch überholte Vorstellungen (Unsre Omma sah immer gleich den Typhus vor Augen) oder ethnische Lehre (z.B. das „innere Feuer“ bei vielen muslimischen Familien) prägen die Sorge ums Fieber. Da entstehen dann viele Fehlinformationen.
Darf ich mit einem fiebernden Kind rausgehen? Klar. Warum nicht?
Darf ein fieberndes Kind gebadet werden? Grundsätzlich ja, es sollte natürlich nicht auskühlen. Lauwarme „Waschungen“ mit einem weichen Waschlappen sind sogar erholsam.
Ist das ansteckend? Ja, logisch. Fieber ist schließlich i.d.R. ein Zeichen für eine Infektion, viral oder bakteriell. Und man kann sie auch weitergeben.
Ab 40 °C gibts Fieberkrämpfe oder wann wird es überhaupt gefährlich? Nein. Fieberkrämpfe gibt es auch bei geringeren Temperaturen und eine sehr hohe Temperatur reduziert natürlich das Wohlbefinden des Kindes, bringt aber keine akute Lebensgefahr. Dies ist meist erst bei konstanten Temperaturen Richtung 42 °C zu befürchten, was in aller Regel nicht erreicht wird. Hier drohen tatsächlich Kreislaufkollaps oder Zellveränderungen. Gefährlich ist eher die Ursache des hohen Fiebers, wie eine bakterielle Infektion, Meninigitis oder Ähnliches.
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