BEST OF BLOGS | Ich beneide Studenten, die seit Kindertagen wissen, dass sie mal Unfallchirurg werden möchten. Ein Online-Test verspricht, mir in 10 Minuten zu sagen, welche Fachrichtung zu mir passt. Ich bin gespannt.
Einmal las ich eine Anzeige der apoBank: Machen Sie den Facharzt-CheckUp – das Tool zur richtigen Facharztwahl.
Prima, dachte ich mir, das mache ich. Ich gehöre nämlich zu der kleinen Gruppe an Medizinstudenten, die selbst jetzt im Praktischen Jahr immer noch ziemlich unentschieden sind welche Fachrichtung sie nach dem Examen einschlagen sollen. Und der Zeitpunkt, an dem ich mich endgültig festlegen muss, rückt immer näher. Während der Kantinengespräche in der Mittagspause ist das Hauptthema Nummer eins, das man als neuer PJler gefragt wird: „Und wohin solls bei dir gehen?“
Während meine Kommilitonen dann begeistert von ihren Zukunftsplänen und einige sogar schon von ersten Bewerbungsgesprächen berichten, kann ich immer nur mit den Schultern zucken. „Mal sehen“, murmle ich meistens. „Wie bist du dir denn so sicher, dass du das machen willst?“ Ich muss zugeben, dass ich diese Medizinstudenten schon ein wenig beneide, die schon seit Kindertagen wissen, dass sie mal Unfallchirurg werden möchten (wie der Papi) oder im letzten Tertial des Praktischen Jahres die Erleuchtung hatten, dass Gyn ihr absolutes Traumfach ist. Bei mir dagegen schwankte die Entscheidung von Jahr zu Jahr.
Während ich in der Schule noch der festen Überzeugung war, dass ich eines Tages im Labor an neuen Krebsmedikamenten forschen und hoffentlich vielen Patienten das Leben retten werde, kam in der Vorklinik die Begeisterung für die klinischen Fächer. Physiologie, Biochemie oder Physik waren mir einfach zu trocken, mit Patienten richtig Hands-on zu arbeiten und nicht nur Theorie zu büffeln – das wär’s doch!
Während ich am Anfang der klinischen Semester quasi jedes neue Fach wieder spannend fand und mich einmal wie eine typische Internistin sah, die mysteriöse Fälle à la Dr. House enträtseln würde, mich kurz darauf wieder patientenferne Fächer wie Radiologie oder Pathologie packten, war ich mir gegen Ende eigentlich relativ sicher, dass ich in 20 Jahren so eine typische Dermatologin werden würde, die mittels Blickdiagnose jedes Hautproblem ihrer verzweifelten Patienten lösen würde.
Doch die Stellensituation bereitete mir Magenschmerzen – und überhaupt: war der Job denn wirklich das Richtige für mich? Schließlich sieht (und riecht) man dort nicht nur schöne weiche Babyhaut, sondern muss auch mit offenen diabetischen Füßen, allerlei Geschlechtskrankheiten und ziemlich gewöhnungsbedürftigen Erscheinungen des Körpers Vorlieb nehmen. Kurzum, meine Entscheidung geriet ins Wanken und jetzt im PJ bin ich so schlau wie vorher.
Da kam mir die Anzeige der apoBank also gerade recht. Denn jetzt will ich es auch endlich wissen: Welche Fachrichtung ist für mich die einzig wahre?
Das Tool, welches die apoBank online bereit stellt, klingt zunächst einmal sehr simpel. In nur drei Schritten soll man eine klare Empfehlung bekommen, welche der fünfzehn häufigsten Facharztrichtungen zu einem passen und warum. Mittels „Self-Assessment-Test“ will es herausfinden, was mir besonders liegt und mir „wertvolle und qualifizierte Orientierung“ bei der Berufswahl bieten. Aber kann so ein Test wirklich bei dieser Entscheidungsfindung helfen? Schließlich geht es hier nicht darum in welcher Farbe ich meine Küche streichen soll, sondern um eine weitreichende Entscheidung, die mein ganzes zukünftiges Berufsleben bestimmen wird. Und ich suche keine Bestätigung für etwas, das ich schon immer wusste, sondern tatsächlich eine Antwort auf meine derzeit schwierigste Lebensfrage. Also nutze ich einen verregneten Sonntagmorgen, um etwas Licht ins Dunkel meines Fachrichtungswunsches zu bringen. Hoffentlich.
Auf der Homepage werden mir zunächst einmal die Vorteile des Facharzt CheckUps nahe gebracht. Er ist kostenlos, anonym, dauert nur zehn Minuten und am Ende erhält man eine Top 3 Empfehlung der geeignetsten Berufe. Zudem gibt es noch passende Stellenangebote, Tipps für den Karriereaufbau und einen kurzen Überblick zu den häufigsten Facharztrichtungen. Wenn man möchte, kann man den Ergebnisbericht per Mail anfordern und bekommt gleich noch hilfreiche Zusatzinfos zugesandt wie eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung mit Struktur und Dauer der Ausbildungsphasen, den Berufsaussichten, dem Durchschnittsgehalt und der Work-Life-Balance in besagtem Metier. Das klingt schon mal nicht schlecht, denke ich mir. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
In den FAQ lese ich erstmal, welche der Fachrichtungen man im Tool überhaupt abfragen kann. Es sind die fünfzehn häufigsten: Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Arbeitsmedizin, Chirurgie, Dermatologie, Gynäkologie, Innere Medizin, Neurologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Pädiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Radiologie und Urologie. Für die Programmierung hat die apoBank über 700 Ärzte zu ihrem Berufsalltag und Anforderungen bzw. Besonderheiten ihrer Facharztrichtung befragt. Auch wichtige Persönlichkeitsmerkmale, die man für den Beruf mitbringen sollte sowie Erfahrungswerte zu Patientennähe und Kommunikationsfähigkeit, die Nähe zu Forschung und Lehre und Technikaffinität wurden in das Tool miteinbezogen.
Die Umfrage, die dann folgt, ist eigentlich kinderleicht. Man erhält zunächst eine Aussage, die meist eine bestimmte Charaktereigenschaft abfragt (z.B. das handwerkliche Geschick) und soll mittels eines verschiebbaren Reglers angeben, inwieweit diese auf einen zutrifft oder eben nicht. Da meine Hände schon beim frühmorgendlichen Greifen nach der Kaffeetasse nicht die ruhigsten sind, bewegt sich mein Regler auf der Skala für handwerkliches, feinmotorisches Arbeiten also erstmal ziemlich weit nach links. Nach insgesamt fünfzehn Fragen – inklusive der Angabe von für die eigentliche Umfrage nicht relevanten, aber für die Statistik der apoBank benötigten Informationen wie dem Geschlecht und Alter – ist der CheckUp auch schon erledigt.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich für den Test sechs Minuten gebraucht habe. Damit benötigte ich sogar weniger Zeit als die angegebenen zehn Minuten. Insgesamt ist der Facharzt-CheckUp also wirklich kein großer Zeitaufwand. Und tatsächlich werde ich anschließend auf eine Seite weitergeleitet, wo mir nun meine persönlichen Top 3 der Facharztrichtungen angezeigt werden. Zu jedem der Top-Vorschläge folgt anschließend eine Kurzbeschreibung zum Inhalt der Tätigkeit, das ungefähre durchschnittliche Jahreseinkommen auf einer Skala zwischen 100.000 und 500.000 € und eine Punkteskala für die Work-Life-Balance. Außerdem wird das Tätigkeitsgebiet in den Vergleich mit anderen Facharztrichtungen gesetzt z.B. in Bezug auf die Möglichkeit der stationären oder ambulanten Versorgung. Besonders interessant ist auch das Feld „Das sagen Fachmediziner über ihren Beruf“. Hier kann man die Interview-Antworten der befragten Fachärzte zu bestimmten Fragestellungen, z.B. nach den täglichen Herausforderungen in ihrem Beruf, nachlesen.
Wem das noch nicht reicht, dem bietet die apoBank anschließend noch die Möglichkeit einen detaillierten Ergebnisbericht mit noch umfangreicheren Informationen zum genauen Gehalt in Zahlen, den benötigten Eigenschaften und Fähigkeiten als Facharzt, den genauen Aufgabenbereichen und dazu passenden Stellenangeboten im Tausch gegen persönliche Angaben wie Namen, E-Mail-Adresse und eventuelle apoBank-Mitgliedschaft zuzusenden. Das habe ich mir natürlich nicht nehmen lassen und nicht einmal eine Minute später fand ich in meinem Postfach eine E-Mail der apoBank. Hier gelangt man wiederum durch einen Link zu einer Seite, die einem übersichtlich die genannten Informationen zu seinen Top 3 Facharztrichtungen präsentiert. Super finde ich das Feld zu den Berufsaussichten, wo man erfährt wie viele Ärzte momentan eigentlich in dem Bereich stationär oder ambulant arbeiten und wie viele angestellt sind bzw. selbständig. Auch der Abschnitt „Besonderheiten und Trends“ dürfte für einige sehr interessant sein, da hier die zukünftigen Berufsentwicklungen des jeweiligen Facharztes prognostiziert werden.
Die große Frage ist nun aber: Habe ich meine Traumfachrichtung unter den Top 3 Empfehlungen gefunden? Darauf gibt’s von mir leider ein klares Nein. Denn die vom CheckUp ermittelten Top 3 entsprechen leider so gar nicht den Berufen, die ich in meine engere Auswahl ziehen würde. Auf Platz 1 schlägt mir das Tool die Urologie vor, die ich (bis auf unsere unterhaltsame Weihnachtsvorlesung zu autoreotischen Unfällen) schon immer wenig spannend fand. Dann folgt die Radiologie, die vielleicht für manche der Traumberuf schlechthin sein mag, mich aber nur an meinen Kampf erinnert in dem Wirrwarr an weißen und schwarzen Strukturen auf dem CT-Bild mehr als bloß ein modernes Kunstwerk zu sehen. Und auf Platz 3 landet bei mir die Psychiatrie, für die ich leider auch nicht wirklich geboren bin. Sicher bin ich mir in meiner Facharztwahl also immer noch nicht, aber ehrlicherweise muss ich sagen, dass dieser Test dafür auch nichts kann. Denn, wenn ich selber wenig Ahnung von meinen Präferenzen habe, dann kann sie eine kurze Online-Umfrage auch nicht einfach aus dem Hut zaubern.
Wie sieht es aber aus, wenn man sich schon relativ sicher ist, was man später machen möchte? Kann der Test einen in der bereits getroffenen Entscheidung wenigstens bestätigen?
Eine kurze Nachfrage bei meinen Stations-PJlern Phillip und Arne ergibt, dass auch sie sich vom Facharzt-CheckUp mehr erwartet hätten. Phillip, der zur Psychiatrie oder Neurologie tendiert, meint, die Umfrage wäre etwas zu oberflächlich. Er hätte ja im Studium schon viel mehr Einblick in die Fachbereiche bekommen und eine Fachrichtung alleine aufgrund von Charaktereigenschaften auszuwählen, die angeblich für diese Berufsgruppe typisch wären, funktioniere eben nicht besonders gut.
Auch Arne sieht es ähnlich. Sein Traumberuf Plastische Chirurgie wird im CheckUp gar nicht erfasst, stattdessen schlägt ihm das Programm an erster Stelle vor – ebenso wie Philipp und mir – doch Urologe zu werden. Selbst für Arnes Freundin Sophia, die den Fragebogen spaßeshalber auch noch ausfüllt, sieht der Algorithmus der apoBank die Zukunft in der Urologie. Man könnte fast meinen der gemeinsamen Urologen-Praxis stehe jetzt nichts mehr im Wege, wäre da nicht die Tatsache, dass es leider keinen von uns auch nur ansatzweise in diese Fachrichtung zieht.
An dem Tool für die richtige Auswahl der Fachrichtung sollte die apoBank also wohl nochmal etwas feilen. Sie könnte den Algorithmus beispielsweise durch die Hinzunahme von noch gezielteren Fragen nicht nur nach charakterlicher Eignung oder Work-Life-Balance, sondern auch nach Fachrichtungen, die man jetzt schon ausschließen kann oder besonders präferiert, nachbessern. Aber obwohl er keine hundertprozentige Wahrsagerkugel für die Zukunft ist, hat mich der CheckUp trotzdem positiv überrascht. Denn die nachfolgende Vorstellung und Übersicht der verschiedenen Facharztrichtungen ist durchaus gut gelungen. Sie hilft die Berufe noch einmal auf das Wesentliche herunterzubrechen und miteinander in den wichtigsten Punkten wie Work-Life-Balance, genaue Tätigkeiten oder Gehalt vergleichen zu können.
Ich kann daher jedem, der noch bei seiner Entscheidung schwankt, empfehlen diesen Test einmal zu machen. Vielleicht werdet ihr danach noch nicht eure Top-Fachrichtung gefunden haben, weil auch euch der CheckUp fälschlicherweise in der Urologie sieht, aber mit den wirklich gut recherchierten Hintergrundinfos zu den einzelnen Facharztrichtungen seid ihr nachher auf jeden Fall schlauer als zuvor. Interessant könnte der Test auch für Menschen sein, die noch gar nicht studieren oder bislang nur sehr wenig Einblicke in die verschiedenen medizinischen Fachgebiete hatten. Denn hier bekommt man ein wirklich gutes Gesamtbild des Arztberufes vermittelt.
Etwas schade finde ich, dass man nur fünfzehn Fächer abfragen kann. Ich hätte es spannend gefunden auch Tipps zu kleineren und etwas ungewöhnlicheren Facharztrichtungen wie beispielsweise der Humangenetik oder Laboratoriumsmedizin zu bekommen. Außerdem hätte ich mir eine genauere Differenzierung der Fächer gewünscht, z.B. Chirurgie aufgeteilt in Orthopädie und Unfallchirurgie. Aber vielleicht kommt das ja in Zukunft noch. Die apoBank schreibt dazu in ihren FAQs, dass die fünfzehn Facharztrichtungen lediglich einen ersten Schritt darstellen. Wenn ich jetzt beim Mittagessen gefragt werde „Und wohin solls bei dir gehen?“, kann ich meinen Kommilitonen immerhin schon mal all die in der Praxis tatsächlich relevanten Vor- und Nachteile meiner Top 3 Liste aufzählen. Und der Rest ergibt sich bestimmt auch noch mit der Zeit.Bildquelle: mohammed_hassan, pixabay