Wie werden abgelaufene Arzneimittel eigentlich richtig entsorgt? Das zu beantworten, ist schwierig und auch Apotheken haben kaum mehr Möglichkeiten als Verbraucher. Wo man sich informieren kann und was nach Ablauf des Mindeshaltbarkeitsdatums zu tun ist – ein Überblick.
Verweiblichte Fische, verseuchtes Grundwasser, überforderte Klärwerke – und alles nur wegen unsachgemäßer Arzneimittelentsorgung. Stimmt das oder ist es reine Panikmache und alles ist gar nicht so gravierend, wie es in den Medien dargestellt wird? Was ist dran an den beständigen Schlagzeilen und wie werden abgelaufene Arzneimittel eigentlich richtig entsorgt? Der Versuch, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Bereits seit etwa zehn Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht, allein durch die Rückstände von Verhütungspillen würden männliche Fische verweiblichen und sogar Eier ausbilden. Sogar in entlegenen Bergseen fänden sich solche Fische, weil Frauen, die mit Hormonen verhüten, diese mit ihrem Urin in die Umwelt abgeben.
Dass die Männchen sich verändern stimmt tatsächlich, doch die Ursache dafür ist nicht nur die Pille. Die Verweiblichung der verschiedenen Fischarten liegt zum größeren Teil in Pestiziden, Reinigungsmitteln und Kunststoffzusätzen begründet, deren Inhaltsstoffe einen hormonähnlichen Charakter aufweisen. Die Meldung, dass nur die verhütenden Frauen an der Schwächung der Männlichkeit Schuld sind, ist also falsch.
Anders sieht es bei der Belastung der Gewässer mit anderen Arzneimittelrückständen aus. Das Umweltbundesamt zählt 150 Wirkstoffe, die durch Tests in Flüssen und Seen nachgewiesen werden konnten. „Am häufigsten werden Antiepileptika, Blutdrucksenker und Schmerzmittel sowie Antibiotika und Betablocker gefunden. Die höchsten Konzentrationen ließen sich für Röntgenkontrastmittel nachweisen“, gibt das Amt bekannt. Es wird sowohl auf die Gefahren hingewiesen, die das für die Natur mit sich bringt, als auch darauf, dass sich dieses Problem künftig durch die immer älter werdende Bevölkerung verstärken wird.
Diese Einträge in die Umwelt durch unsachgemäße Arzneimittelentsorgung, Ausscheidung und Abwaschungen von topischen Wirkstoffen, Düngung mit dem Kot behandelter Tiere und Ausleitungen aus der pharmazeutischen Industrie sind noch relativ gering. Dennoch sollte doch alles unternommen werden, um sie so niedrig wie möglich zu halten.
Was kann man dagegen tun? Eine Studie des Bundesverbandes der Energie und Wirtschaft (BDEW) sollte genau das herausfinden. Diskutiert wurde im Vorfeld die Aufrüstung der deutschen Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe, die mehr Arzneimittelwirkstoffe aus dem Wasser herausfiltern kann. Die Anlagen waren bisher vor allem für den Rückhalt von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor und die Elimination biologisch gut abbaubarer Substanzen ausgestattet, und nicht für den Rückhalt polarer und persistenter Verbindungen. Dieses Update kostet vermutlich zwischen dreißig und vierzig Milliarden Euro und muss irgendwie finanziert werden. Die Studie schlägt verschiedene Möglichkeiten vor, etwa die Erhöhung der Abwasserabgabe oder eine Umlage auf Arzneimittelpreise. Mit einer preislichen Anhebung jeder Tagesdosis um 2,5 Cent würden Hersteller, Apotheken, Krankenkassen und Verbraucher gleichermaßen zur Kasse gebeten, heißt es im Bericht.
Befürwortet wurde ebenfalls, eine Abholung von Altarzneimitteln in den Apotheken einzuführen. So wurde es vor Jahren bereits gehandhabt. Dies gilt um so mehr, da das Forschungsprojekt START (Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ergeben hat, dass jeder siebte Bundesbürger zumindest ab und zu seine Altarzneimittel über den Ausguss oder die Toilette entsorgt. Jeder zweite schüttet flüssige Arzneimittelreste in den Ausguss.
Da Altmedikamente zum Siedlungsabfall gezählt werden, wäre in den meisten Fällen der Hausmüll der richtige Ort zur Entsorgung. Aber es bestehen zahlreiche regionale Unterschiede. Auf dieser Seite kann man über die Postleitzahl herausfinden, wie und wo abgelaufene Medikamente korrekt entsorgt werden. Einen Hinweis auf diese Seite gibt auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM), das Hersteller nun verpflichtet, Maßnahmen zur sicheren und umweltverträglichen Entsorgung in den Beipackzettel der hergestellten Medikamente aufzunehmen.
Doch viele Menschen scheuen die Entsorgung im Hausmüll – ganz besonders, wenn große Mengen anfallen. So bestehen zum Beispiel Ängste, dass der Müll auf der Suche nach Arzneimitteln durchwühlt wird. Daher bringen immer noch viele Menschen die nicht mehr benötigten Tabletten, Spritzen und Tropfen in die Apotheke. Gerade wenn ein Angehöriger verstorben ist, finden sich häufig noch unangebrochene Packungen mit langem Haltbarkeitsdatum. Hier gibt es zum Beispiel die Jenny de la torre-Stiftung, die solche Medikamente annimmt und an Obdachlose verteilt. Ist Insulin unter den Arzneimitteln, die noch haltbar sind, kann man sich an den Verein Insulin zum Leben wenden, der sogar angebrochene Packungen annimmt und an Bedürftige verteilt.
Apotheken haben meist keine anderen Möglichkeiten als die Verbraucher, um abgelaufene Arzneimittel loszuwerden. Auch dort gibt es oft nur die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Entsorgung. Trotz allem bieten viele Apotheken ihren Stammkunden auch weiterhin an, Altarzneien zu entsorgen, denn hier sitzen schließlich die Experten. Die Pharmazeuten wissen am besten, wie BTM unwiederbringlich vernichtet werden, oder dass Zytostatika und Dosieraerosole mit Restmengen nicht in den Hausmüll gehören.
Daher wäre eine Lösung wie vor einigen Jahren, als noch die Recyclingfirma Vfw Remedica säckeweise Altmedikamente aus den Apotheken abholte und kostenfrei entsorgte, die eleganteste Lösung. Hier müsste allerdings die Pharmaindustrie ebenfalls in die Tasche greifen, um die Apotheken mit den zum Teil recht hohen Kosten nicht alleine zu lassen.
Häufig wird man in der Apotheke auch mit der Frage konfrontiert, ob ein Medikament wirklich gleich weggeworfen werden muss, wenn es nur ein paar Wochen abgelaufen ist. Dazu äußert sich die ABDA ganz klar: „Medikamente sollten nach Ablauf des Verfalldatums nicht mehr angewendet, sondern entsorgt werden. Das gilt auch, wenn sie äußerlich einwandfrei wirken (…). Die Beurteilung von abgelaufenen Arzneimitteln ist selbst für Apotheker als Arzneimittelexperten in den meisten Fällen nur möglich nach chemischer Analyse oder Literaturrecherche zu möglichen Abbauprodukten. Beides ist aufwändig und der Nutzen dürfte den Aufwand nur in Ausnahmefällen rechtfertigen. Verlässliche Angaben der Hersteller zu einer Nutzung von Medikamenten nach Ablauf des Verfalldatums gibt es nur in Ausnahmefällen.“
So wäre auch tatsächlich die einzige Möglichkeit, eine verlässliche Aussage über eine verlängerte Haltbarkeitsfrist zu machen, eine chargenbezogene Anfrage beim Hersteller. Doch dieser Aufwand wird sich selten lohnen. Es bleibt also beim sicheren Entsorgen über die regional angebotene und in der PLZ-Suche ermittelte Methode.
Text von Eva Bahn
Bildquelle: Jilbert Ebrahimi, Unsplash