Nur noch Jobs für Nichtraucher, lautet die Ansage der Universität Nagasaki. Der Campus soll 100 % rauchfrei werden, das gilt auch für das Lehrpersonal. Jetzt wird diskutiert: Sollte man zu einem gesunden Lebensstil gezwungen werden oder ist das Diskriminierung?
Letzte Woche wurde eine Meldung der internationalen Nachrichtenagentur AFP weltweit in den Medien aufgegriffen. Es geht um eine Maßnahme der Universität Nagasaki in Japan. Auf dem gesamten Campus ist das Rauchen ab August verboten. Man habe „aufgehört, jegliches Lehrpersonal einzustellen, das raucht“, sagte der Universitäts-Sprecher Yusuke Takakura gegenüber der AFP. Nur wer als Raucher beim Bewerbungsgespräch verspreche, bis zum Jobantritt aufzuhören, hätte doch noch eine Chance, genommen zu werden. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Raucher nicht für den Bildungssektor geeignet sind“, erklärte Takakura.
Die Universität habe sich im Vorfeld rechtlich beraten lassen, die Regelung verstoße nicht gegen Diskriminierungsgesetze. Damit das Aufhören auch wirklich gelingt, soll auf dem Campus eine Entwöhnungsklinik eröffnet werden.
Lange hatte Japan den Ruf eines Raucherparadieses. Weil die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio bevorstehen, ändert sich das aber zumindest in der Hauptstadt, berichtete unter anderem die Japan Times. Das Präfekturparlament Tokio verabschiedete im Vorjahr eine Verordnung, die deutlich strikter ist als in der restlichen Inselnation. So soll etwa in 84 Prozent der Restaurants und Bars ein Rauchverbot gelten, bis zu den Olympischen Spielen nächstes Jahr soll die Stadt größtenteils tabakfrei sein.
Gut möglich also, dass sich der Trend landesweit durchsetzt. Wir wollten wissen, was die japanische Bevölkerung von Rauchverboten hält und sprachen mit Daniel Gerber, der seit über 15 Jahren in Japan lebt. Er ist im Bereich Human Ressources (HR) einer globalen Unternehmensberatung in Tokio tätig. „Es gibt keine Regelungen dazu, wie oft geraucht werden darf“, sagt der HR-Manager, der mit 140 Kollegen für insgesamt 12.000 Mitarbeiter zuständig ist. „Alle unsere Büros verfügen allerdings über Raucherzimmer, die von den rauchenden Mitarbeitern genutzt werden können.“
Dass es in der Zukunft zu Verboten kommen könnte, schließt Gerber nicht aus. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ähnliche Regelungen auch bei uns eingeführt werden, wenn sich mir der Sinn auch nicht ganz erschließt. So lange es separate Raucherräume gibt, fühle ich mich in keinster Weise durch die Existenz von rauchenden Kollegen irritiert oder beeinträchtigt.“
Dass Firmen gesunde Mitarbeiter haben wollen, ist für ihn nachvollziehbar. Den Trend, sich dem Arbeitgeber anpassen und sich stetig optimieren zu müssen, gefällt dem HR-Manager nicht. „Ich sehe mich und meine Mitarbeiter in erster Linie als freie Menschen und erst danach als Angestellte einer Firma.“ Eher sollten Unternehmen seiner Ansicht nach darauf achten, dass es den Angestellten am Arbeitsplatz gut gehe. Gesunde Snacks, helle Räume oder ergonomische Möbel nennt er als Beispiele, wie das gelingen kann. „Ob die Mitarbeiter nun rauchen oder in ihrer Freizeit Base Jumping machen, gehört nicht in den Einflussbereich des Arbeitgebers“, argumentiert er.
Als größten Vorteil eines Rauchverbots sieht er den damit einhergehenden Produktivitätsgewinn. „Wenn ein rauchender Kollege vielleicht sechs Mal täglich eine Zigarettenpause von sieben Minuten einlegt, dann wäre rein rechnerisch eine knappe Dreiviertelstunde Arbeitszeit pro Raucher pro Tag gewonnen.“ Ob es einen positiven Effekt auf den Krankenstand hat, wenn man zum Nichtraucher wird, könne er nicht beurteilen. Womöglich erhoffe man sich als Unternehmen durch die Entscheidung für ein Rauchverbot auch einen Imagegewinn, der sich positiv auf die Anzahl der Bewerbungen auswirken könnte.
Dass Unternehmen versuchen, den Lebensstil ihrer Mitarbeiter in eine gesunde Richtung zu lenken, ist nichts neues. Wo hier die Grenzen zu ziehen sind, darüber wird seit jeher diskutiert. Nichtrauchen als Einstellungskriterium sieht Gerber als Maßnahme, die ein falsches Signal setze. „Es kommt mir so vor, als wolle die Firma sagen: Ihr könnt nicht alleine entscheiden, was gut oder schlecht für euch ist, daher nehmen wir euch die Entscheidung ab. Es infantilisiert die Mitarbeiter.“
Ganz ohne Regeln geht es aber auch in seinem Unternehmen nicht: Wie in vielen japanische Firmen gilt etwa die Vorschrift, nur zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen. Mit dem Auto oder per Fahrrad ist untersagt. Begründet wird dies mit der Unfallgefahr im Verkehr. Nebenbei soll es dazu führen, dass zur Rush Hour die Straßen Tokios nicht so verstopft sind.
Eine weitere Regelung ist der verpflichtende jährliche Gesundheitscheck. Und nicht nur das: „Wenn man, wie mir das vergangenes Jahr leider passiert ist, als übergewichtsgefährdet eingestuft wird, muss man an einem Programm teilnehmen“, erzählt Gerber. In einer App gibt man täglich ein, welche Nahrungsmittel man zu sich genommen hat. Darauf basierend erhält man Tipps, wie man seine Essgewohnheiten verändert. „Klar, es ist bestimmt gut gemeint, aber ich empfinde das als Übergriff.“
Es gibt auch Ansätze, die auf dem Belohnungsprinzip basieren. Im Vorjahr wurde zum Beispiel von einem kleinen japanischen Unternehmen berichtet, das seine Mitarbeiter mit Bonuspunkten belohnt. Wer pro Nacht auf mindestens sechs Stunden Schlaf kommt, erhält Punkte, die er in der Kantine gegen Essen einlösen kann. Zur Überprüfung wird ein Schlaftracker eingesetzt. Wer diese Art der Überwachung nicht als enormen Einschnitt in das Privatleben empfindet, kann theoretisch auf diese Weise bis zu 500 Euro im Jahr sammeln.
In den japanischen Medien wird der Schritt der Universität Nagasaki durchaus diskutiert, sagt Gerber. „Mein Eindruck ist, dass die Diskussion sich vorrangig um die Frage dreht, ob die Regelung ein Fall von Diskriminierung ist oder nicht.“ Die Debatte finde vor allem in Kommentarspalten von Online-Zeitungen und in sozialen Netzwerken statt. „Dort bin ich auf mehr Zustimmung zu der Maßnahme als auf Ablehnung gestoßen. Es könnte aber durchaus sein, dass es in Raucherzimmern und -ecken zu Diskussionen kommt, von denen ich natürlich nichts mitbekomme.“
Gerber selbst habe kein Problem damit, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die außerhalb des Büros rauchen oder übergewichtig sind oder nach der Arbeit gerne ein Bier trinken. „Am Arbeitsplatz ist man professionell und unterwirft sich gewissen Regeln, um problemlos mit vielen anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Privat ist man frei und darf so leben, wie man möchte.“
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