In Brandenburg soll die Impfpflicht für Kita-Kinder eingeführt werden. Ein richtiger Schritt? Klar ist, dass wir den lauten Stimmen der Impfkritiker etwas entgegensetzen müssen. Aber ist eine Impfpflicht vielleicht nur eine voreilige Trotzreaktion darauf, dass wir das ständige Diskutieren leid sind?
Über die Impfpflicht im Allgemeinen ist in letzter Zeit viel geschrieben worden. Der Brandenburger Landtag hat sich kürzlich mit dem Thema beschäftigt und die Impfpflicht gegen Masern beschlossen und der Gesundheitsminister macht sich (gemeinsam mit seinem Nebenmann Lauterbach von der SPD) in der Öffentlichkeit dafür stark.
Der Hintergrund ist bekannt: Deutschland liegt im internationalen Vergleich zurück, was die Impffreudigkeit oder eher Impfdisziplin angeht. Insbesondere jedoch bei Masern hinken wir hinterher, Experten gehen davon aus, dass mit den derzeitigen Impfraten keine Elimination der Masern in Deutschland erzielt werden kann. Andere Länder wie die USA sind da schon viel weiter. Dass eine Impfung gegen eine der gefährlichsten Kinderkrankheiten sicher und wirksam ist, dürfte hinlänglich bekannt sein, darüber soll hier auch nicht diskutiert werden. Wirre Theorien und krude Behauptungen geistern durch das Netz und die Köpfe der Impfgegner, vernunftbasiert kann niemand die Impfung ernsthaft ablehnen. Im Folgenden möchte ich mich also darauf beschränken, meine Gedanken zu den wichtigsten Punkten, die eine Impflicht mit sich bringen würde, aufzuschreiben. Wie würde eine Impfpflicht gegen Masern in der Praxis funktionieren?
Impfpflicht oder doch informieren?
Ich bin mit mir uneins, ob eine Impfpflicht grundsätzlich eine gute Idee ist, um die Impfquoten in Deutschland zu erhöhen. Meine erste Reaktion sagt: Als Mediziner bin ich dafür, mein Berufsverband sieht das auch so. Aber reagieren wir da nicht aus der tagtäglichen Diskussionshaltung gegenüber Impfgegnern heraus trotzig? „So, genug diskutiert, jetzt redet der Staat mal Tacheles?“
Wollen wir den Graben zu den Impfgegnern weiter vergrößern? Gehen uns die Argumente aus? Sind wir alle Wege bereits gegangen, um die Impfquoten zu erhöhen?
Die Hürde vor Kindergarteneintritt ist zumindest der richtige Ansatz: Es muss eine Konsequenz spürbar sein, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen wollen. Da das Argument, das eigene Kind zu schützen, scheinbar nicht fruchtet, geht der Weg eben über den Schutz der anderen. Ich mache es in meiner Praxis ähnlich. Insofern ist das ein ziviler Regulationsschritt, eine weiche Verpflichtung, im Gegensatz zu beispielsweise einer Strafgebühr. Leider werden Impfgegner aber Mittel und Wege finden, diese bürokratische Hürde zu umgehen.
Wissenschaftler, die sich mit der öffentlichen Wahrnehmung von Impfungen und Beweggründen von Impfgegner beschäftigen, warnen bei einer Impfpflicht davor, dass die nicht verpflichtenden Impfungen scheinbar als weniger wichtig eingestuft werden und die krude „Selbstbestimmung“ dann dort ausgelebt wird (siehe @CorneliaBetsch). Bedeutet, die Masern bekommen wir vielleicht in den Griff, dafür bekommen wir mehr Argumentationsprobleme bei den anderen Impfungen.
Besser ist es sicher, die Impflücken vor allem auch bei Erwachsenen zu schließen, also mehr zu informieren und jeden Arztbesuch zur Überprüfung des Impfschutzes zu nutzen:
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Wir sollten weiter gut informieren. Es gibt immer noch viele Eltern, die schlicht unsicher sind oder fehlinformiert. Fake News werden wie bei vielen Verschwörungstheorien auch in Impfkritiker-Kreisen gerne weiter verbreitet. Wir sollten klarere Bilder finden. Ähnlich wie auf Zigarettenschachteln muss das Gefährliche von Masern und anderen Erkrankungen präsentiert werden, nicht im Sinne des Angstmachens (das übernehmen die Impfgegner schon selbst, wenn es um das Impfen an sich geht), sondern indem man Realitäten vermittelt und Respekt gegenüber den Krankheiten einfordert.
Wir sollten nudgen (dt.: anstupsen) und immer wieder an Impfungen erinnern. Wir sollten den Zugang zu Impfungen vereinfachen, also auch über Impfungen in der Apotheke oder durch Kindergarten/Schulkrankenpflegern nachdenken. Warum auch nicht? Dieses hohe Ross des Alleinimpfanspruchs der Ärzte leistet einen Bärendienst für Impfskeptiker.
Die ewig Ablehnenden und Verschwörungsfanatiker, die Nanoteilchen und politische Intrigen vermuten, auch die chronisch „Selbstbestimmten“, werden wir nie erreichen. Es wird immer einen Prozentsatz der absolut Unbelehrbaren geben. Aber für der Rest gilt: Uns alle eint die Sorge um das Wohl der Kinder. Auf dieser Ebene sollten wir mithilfe von Empathie und Information diejenigen abholen, die unschlüssig sind, falsch informiert oder schlicht ängstlich.
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